
Unterhalb Herbedes
erbreitet sich das Tal der Ruhr, und diese fließt wie ein Silberband
durch grüne Wiesen und Weiden. Die sie begleitenden Höhen tragen
verschiedenen Charakter, während links das Bergische Land ziemlich
steil anstieg und mit Wald geschmückt ist, grüßen von der rechten
Seite sanftgewellte Hügel des ardai herüber, auf denen sich inmitten
lachender Fluren Dörfchen und Einzelgehöfte erheben, so fließt der
Fluss durch die uralte,schon um 900 vorkommende Bauerschaft Stiepel
an
Haus
Kemnade
vorüber. Allerdings lag
dies ursprünglich dicht an der Ruhr, die auch früher an den
Bergischen Höhen vorbei floss, sodass Kemnade sich am rechten Ufer
befand. Aber bei einer gewaltigen Hochflut im Jahre 1486 grub sich
der Fluss ein neues Bett wäre es heute hat. Der alte Lauf ist noch
deutlich neben der Eisenbahn an den mit Rohr und Schilf bewachsenen
Tümpeln zu sehen.
Die Geschichte des Hauses Kemnade ist aufs engste verknüpft mit der
von Stiepel, wohin Kemnade gehörte. Urkundlich kommt Stiepel bereits
um 900 in dem Lehnsverzeichnis der Abtei Werden vor. Weiter bekannt
wird die Gegend dann als Besitz der Grafen von Lippe, in deren
Händen auch die Gerichtsbarkeit der Freiherrlichkeit Stiebel lag. Im
Jahre 1008 erhält die Gräfin Imma von Stiepel wahrscheinlich die
Witwe eines Gaugrafen von Kaiser Heinrich II. Die Erlaubnis auf
luftige Höhe ein Kirchlein zu bauen. Daneben lag das alte Burghaus
der Herren von Stiepel, nach den drei aufgerichteten spitzen Pfählen
im Wappen benannt. Imma aber erbaute sich im Tale an der Ruhr ein
festes Haus als Witwensitz, das Kaminate (Frauenhaus) genannt wurde,
woraus im Laufe der Zeit Kemnade entstand. Als dann 1115 das
Geschlecht derer von Stiepel ausstarb, gelangten die von Kemnade
auch in den Besitz des Stammgutes.
Kemnade fiel um 1300
als Heiratsgut an Heinrich von Dücker. Der letzte dieses Geschlechts
war Wennemar, Herr zu Kemnade, Stiepel und Bruch. Seine Tochter war
mit Dietrich von Romberg vermählt, und so kam diese Familie auf Haus
Kemnade. Die Belehnung mit demselben und mit der Gerichtsbarkeit
durch den Grafen Bernhard VIII. von Lippe geschah am 18.Mai 1410.
Aber die Ehe Dietrichs von Romberg blieb ohne männliche Erben.
Deshalb verlobte er seine siebenjährige Tochter mit dem 8 jährigen
Hermann von der Reck. In dem Vertrage war die Klausel enthalten, das
falls die Braut vor der Hochzeit sterbe, der Bräutigam gegen Zahlung
von 600 Goldgulden das Haus Kemnade erwerben könne. Dieser Fall trat
ein und Hermann von der Reck wurde 1414 Besitzer von Kemnade.
Er war bereits vor dem
Kauf im heiligen Lande gewesen, hatte in gläubigem Sinn die Stätten
besucht, wo der Heiland gelebt hatte und war auch zum Ritter
geschlagen worden. Der dritte der Herren von der Reck, Adrian, war
ebenfalls in Palästina und nannte sich "Ritter von Jerusalem". Er
war fromm, lebte meist im Kloster der Dominikaner in Dortmund und
von dort auch seine Grabstätte. Unter Kord von der Reck, der ein
sehr gelehrter Mann gewesen sein soll, brannte am Osterfeste 1589
Haus Kemnade bis auf die Grundmauern ab. Zwar begann sein Sohn
wieder mit dem Neubau, aber die Hauptgebäude wurden erst 1663 und
die Wirtschaftsgebäude erst ab 1704 fertig. Mit diesem Wennemar von
der Reck starb die Linie im Mannesstamme aus, und seine älteste
Tochter Sybilla brachte 1647 die Freiherrlichkeit Stiepel und Haus
Kemnade an ihren Gemahl Johann Georg von Syberg, der bereits zu
Lebzeiten seines Schwiegervaters vom Grafen von der Lippe damit
belehnt worden war. Im Besitze dieser Familie ist Kemnade bis in
unsere Zeit geblieben. Erwähnung verdient, das noch 1776 die hohe
Gerichtsbarkeit über Hals und Haupt vom Freigericht Stiepel ausgeübt
wurde, indem der Herr von Syberg zu Kemnade einen Mörder hängen
ließ. 1847 starb der letzte dieses Geschlechtes von Syberg
kinderlos, und Kemnade fiel an den Gemahl seiner Schwester, den
Freiherren von Bertswordt-Wallrabe auf Haus Weitmar bei Bochum. Die
Familie hat das Gut 1921 an die Stadt Bochum verkauft, die Weiden
für Wassergewinnungszwecke ausnutzt.
Haus Kemnade ist eine
Wasserburg mit zum Teil ausgefüllten Gräben. Das Hauptgebäude ist
vierflügelig, neben der Tür befindet sich eine lange in Stein
eingegrabene Inschrift in lateinischer Sprache über dem Neubau von
Kemnade in den Jahren 1662 bis 1704. Am großen Turm zum Garten hin
finden sich die Familienwappen von Syberg-Reck. Bedeutende Schätze
aber birgt das Gebäude im Inneren: Zwei Kamine, die als Meisterwerke
der Renaissance gelten. Der größere, den W ennemar von der Reck zum
Andenken an seine Eltern erbauen ließ zeigt an einem auf säulen
ruhenden Fries eine Reihe kunstvoll in Stein ausgeführter Wappen,
zwischen ihnen Isaak's Opferung, darüber das von der Reck-Quad'sche
Wappen. Daneben allegorische Figuren: Justiz, Baukunst, Musik und
Astronomie darstellend. Der kleinere Kamin, aus Stein und Stuck
hergestellt, zeigt Bekrönungen mit Figurenschmuck, Darstellungen des
Sündenfalls, der Vertreibung aus dem Paradiese und des Brudermords;
der Fries trägt einige Wappen. Weiter sind von Interesse eine
kunstvoll geschnitzte Decke mit Wappen und Bildern der Gestirne eine
prachtvolle Treppe mit Figuren und gedrehten Säulen.
In dem von dem Hügel
herabblickenden Kirchlein von Stiepel befand sich früher ein
wundertätiges Marienbild und an dem uralten Hofe neben der Kirche
das sogenannte "hillge Püttken", das noch heute fließt. Der Sage
nach soll der heilige Ludgerus das Wasser dieser Quelle bei der
Taufe der bekehrten Sachsen benutzt haben. |