
In ihrem weiteren Laufe gegen Westen
stellen sich der Ruhr Berge mit schönen Waldungen wntgegen und
zwingen sie, im großen Bogen an diesen vorbei den Weg zu suchen. So
entsteht ein weites Tal, in dessen weidenreichem Grunde sich in
alter Zeit Burg Backwerth erhob, die ein Lehen der Grafen von
Bentheim war. 1361 - 1418 sitzen darauf die Vittinghoff, die dann
zum deutschen Ordenslande zogen, um sich hier kriegerisch zu
betätigen. Weiteres ist von Backwerth nicht bekannt. Wahrscheinlich
steht heute dort das Haus Weile. Aber auf der schroffen Höhe
unterhalb, von wo man einen weiten Rundblick hat, die wegen des fast
senkrechten Abfalls der Felswände recht geschaffen ist zur Anlage
einer mächtigen Burg, stand früher eine solche, mit der ein
bedeutsames Stück Geschichte erschütternder Tragik verknüpft ist. Es
ist die
Ruine Isenberg
Die Grafen von der Mark sind aus den
Edelherren vom Berge, die schon im 11. Jahrhundert als Vögte der Abteien
Deutz, Siegburg und Werden vorkommen, hervorgegangen. Der Stammsitz
ist das Schloss Altenburg an der Dühn. Es gelang ihnen, bedeutenden
Landbesitz zu verschaffen. Adolf von Berg teilt vor seinem Tode die
ausgedehnten Besitzungen unter seine beiden Söhne. Der Ältere
Eberhard erhielt die westfälischen Gebiete, während der Jüngere
Enbert die Lande an der Wupper erhielt und Stammvater der Grafen von
Berg wurde. Eberhard nannte sich Graf von Altena und Limburg, zu
welchen auch die frühere Grafschaft Isenberg gehörte Als er 1173
starb, erhielt der ältere Sohn Arnold die Grafschaften Limburg,
Isenberg und der Jüngere Friedrich die Grafschaft Altena, aus der
die Grafschaft Mark hervorging.
Arnold wurde Ahnherr der Linie Isenberg.
Neben dieser Herrschaft besaß die Vogtei über die Stifter Essen und
Werden, die ihm bedeutende Einkünfte brachten. Als 1180 Heinrich der
Löwe geächtet wurde, griff auch er mit den andern nach dessen
Besitzungen und erwarb eine Anzahl Güter an der Lippe, von denen das
Schloss Nienbrügge später eine Rolle spielte. Sein gutes Verhältnis
zu seinem Bruder Adolf, der Erzbischof von Köln war, brachte ihm
auch Besitzungen an der unteren Ruhr zu. Adolf war es auch, der für
seinen Bruder auf dem Isenberge ein großes, festes Schloss erbauen
ließ, wofür die letzten Jahre 12. Jahrhunderts anzusetzen sind.
Arnold von Isenberg hatte neun Söhne, von denen sechs in den
geistlichen Stand traten. Als er 1202 starb, wurde ein mächtiger und
angesehener Herr zum Grabe getragen.
So schien das Geschlecht der Isenberger
ruhmreich zu beginnen. Dem Grafen Arnold folgte sein Sohn Eberhard,
der aber schon 1207 kinderlos starb. Der nächste Erbe war Friedrich,
Domherr zu Köln. Mit päpstlicher Erlaubnis verließ er den
geistlichen Stand und vermählte sich 1214 mit Sophie, der Tochter
des Herzogs Walram von Limburg an der Maas. Er war ein Mann voll Mut
und Tatkraft und hatte nur das eine Bestreben, die Macht seines
Hauses zu vermehren. Aber es fehlte seinem harten und
leidenschaftlichen Charakter die Besonnenheit, und dies stürzte ihn
ins Verderben.
Im Jahre 1221 erging vom Papste
Honorius III. ein Edikt, dass die weltlichen Vogteien über die
geistlichen Stifter eingezogen werden sollten. Im Laufe der Zeiten
hatten sich die gräflichen Vögte in dieser Eigenschaft vieles
zuschulden kommen lassen, indem sie aus den ihrem Schutze
anbefohlenen Abteien manches erpressten, was ihnen nicht zustand.
Und auch Friedrich von Isenberg gehörte zu diesen. Insbesondere
hatte das Stift Essen von ihm zu leiden. Er verjagte die Schulten
der Oberhöfe und setzte ihm ergebene Ritter darauf, er plagte die
widerspenstigen Stiftsleute mit harten Hand- und Spanndiensten, ließ
für die Abtei bestimmte Fuhren wegnehmen u. a. Vergebens führte die
Äbtissin Adelheid von Wildenburg Klage gegen ihn; der Herr von
Isenberg ließ sich nicht einschüchtern. Als nun der Erzbischof
Engelbert von Köln, ein Vetter Friedrichs, diesen in freundlicher
Weise von seinem rechtswidrigen Verfahren abhalten wollte, flammte
im Herzen des Isenbergers ein grimmiger Zorn auf. Erwies alle
Vergleichsvorschläge zurück und weigerte sich, dem Befehle des
Papstes, die Vogtei niederzulegen, Folge zu leisten, weil ihm
dadurch die Abgaben von rund 1300 Höfen entgingen.
Auf dem Landtage zu Soest, den der
Erzbischof als Herzog von Westfalen und Stuhlherr des Freigerichts
ausschrieb, sollte auch diese Angelegenheit erledigt werden. Drei
Tage verhandelte man, aber ohne Erfolg; Friedrich, dem seine Brüder,
die Bischöfe von Münster und Osnabrück, und eine Anzahl befreundeter
Ritter den Rücken stärkten, gab nicht nach. Die Sache sollte nun auf
dem bevorstehenden Reichstage zu Nürnberg zur Sprache kommen. So
trennte man sich, anscheinend als Freunde. Friedrich begleitete den
Erzbischof bis an die Ruhrbrücke bei Westhofen, wo er sich
verabschiedete und angab, er wolle zu seiner Burg Nienbrügge.
Der Erzbischof mit einem kleinen
Gefolge setzte die Reise nach Schwelm fort, um dort am folgenden
Tage die Kirche einzuweihen. Unterwegs wurde er am Abend des 7.
November 1225 in einem Hohlwege bei Gevelsberg von Friedrichs Leuten
überfallen und meuchlings ermordet. Mit 47 schweren Wunden bedeckt,
brachte man den erschlagenen nach Schwelm und von dort zur Gruft
seiner Väter in Altenberg. Nach vier Tagen langte man in Köln an, wo
die Leiche im Dome öffentlich ausgestellt wurde.
Bereits am 15 November wählte das
Domkapitel einen neuen Erzbischof Heinrich von Molenark, der
schwören musste, so lange er lebe, die Mörder zu verfolgen. Und
diesen Schwur hielt er. Auf dem Reichstag zu Nürnberg erschienen
seine Boten, zeigten die blutbefleckten Kleider des Ermordeten und
forderten Rache. In Frankfurt am Main, wohin sich der König begab,
erschien Heinrich von Molenark persönlich mit den Äbten von
Altenberg und Heisterbach und den bewaffneten Mannen des Erzbistums.
Man stellte den Sarg mitten im Saale auf und die ganze Versammlung
brach in Tränen aus. Einstimmig sprach man über Friedrich von
Isenberg die Reichsacht aus; ihm und seinen Kindern wurden alle
Güter genommen, die Vasallen wurden frei von ihrem Eide, den sie
geschworen hatten, seine Burgen sollten dem Erdboden gleich gemacht
werden, und auf seinen Kopf wurde ein Preis von 1000 Mark gesetzt.
Wo aber war der Mörder? Gleich nach der
Tat war er verzweiflungsvoll auf seine Burg geeilt, um sie mit Hilfe
seiner Freunde zu verteidigen. Schon bald zog der Graf Adolf III.
von der Mark, der in großem Eifer die Vollstreckung der Reichsacht
betrieb, vor die Burgen Nienbrügge und Isenberg. Da die Hilfe für
den Isenberger ausblieb, überließ er die Verteidigung seinen Brüdern
und floh durch einen geheimen Gang aus der Burg ins Freie. Von Burg
zu Burg wanderte er, überall ungern von seinen früheren Freunden
empfangen. So kam er nach einem Jahre als Handelsmann verkleidet
nach Lüttich. Hier wurde er von einer Magd, früher bei ihm gedient
hatte, an der Gewohnheit erkannt, nach dem Waschen seiner Hände
diese aufeinander zu schlagen, damit sie trockneten. Friedrich
flüchtete, aber ein Ritter holte ihn ein und lieferte ihn den
Kölnern aus. Am 15. November 1226 wurde er, nachdem er reumütig
seine Schuld bekannt hatte, vor dem Severinstor in Köln gerädert.
Die Burg Isenberg aber wurde noch im
Winter des Jahres 1225 von dem märkischen Feldhauptmann Ludolf von
Boynen bis auf den Grund zerstört und aus den Steinen die Burg
Blankenstein erbaut.
Um die Güter Friedrichs von Isenberg
brach ein langer Kampf zwischen dem ältesten Sohne Dietrich und dem
Grafen von der Mark aus. Nach manchem blutigen Treffen kam es 1243
zu einem Vergleich, worin Dietrich einen Teil der väterlichen
Erbgüter zurückerhielt; doch war die Macht des isenbergschen Hauses
dahin. Bis 1257 nannte Dietrich sich noch Graf von Isenberg, dann
führte er den Namen seiner Mutter "von Limburg".
Von der Burg heißt es, dass sie einen
Umfang von 775 Fuß gehabt habe. Von drei Seiten schroff in das Tal
abfallend, war sie nur von dem schmalen Bergkamm über eine Zugbrücke
zu erreichen. Hier war ein Tor, durch welches man in einen 180 Fuß
langen und 90 Fuß breiten Hof trat. Danach folgte das Schloss selbst
in einer Länge von 130 Fuß und einer Breite von 90 Fuß. Durch
dasselbe führte eine lange Halle auf einen 220 Fuß langen und 140
Fuß breiten Hof, an dessen linker Seite ein geheimer Gang in das
Ruhrtal hinab ging. Rechts lagen Ställe und Wohnungen für die
Knechte und Mägde.
Heute sind 700 Jahre dahingegangen über
eine Stätte, die ausersehen war, die Wiege eines mächtigen
Geschlechtes zu werden, an welches aber nichts mehr gemahnt als
einige Mauerreste und Steinblöcke. Der Wanderer, der hier oben weilt
und sich in der kleinen Wirtschaft von dem beschwerlichen Gange
ausruht, erinnert sich mit leisem Schauern der furchtbaren Mordtat,
die der frühere stolze Schlossherr des Isenberges an seinem Vetter
beging. Tief im verschütteten Brunnen aber schlummert die
unglückliche Gattin des Grafen. In stillen, mondhellen Nächten
steigt sie aus der Tiefe, ergreift die silberne Spindel und spinnt.
Dabei singt sie wehmütige Klagelieder über den jähen Fall ihres
Geschlechts.
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