
Die Industriestadt Witten selbst ist
hervorgegangen aus dem alten Hof Witten, an den noch heute die
Bezeichnung an der Burg erinnert. Wer diesen anlegte und zuerst
bewohnte, ist nicht nachweisbar. Wahrscheinlich war es Kaiser Karl
der Große, der hier an der Ruhr, über welche seit der ältesten Zeit
eine Fähre ging, einen befestigten Punkt anzulegen für geraten fand.
So bestand dann auch stets die Ansicht, daß Witten ein Reichshof sei
und besonderer Freiheiten sich erfreue. Ausdrücklich bestätigt dies
1506 der Rat der Stadt Dortmund "dat de Hofof toe Witten sye een
Frye Ryckes Hoaff und de Luide darin geboren und hörig, syn". Doch
tritt Witten urkundlich erst 1016 hervor. Bischof Meinwerk von
Paderborn, der auf dem Rückweg von Elten am Niederrhein den alten
Hellweg benutzte, kam bei dieser Gelegenheit nach Witten, wo er in
Gegenwart der Grafen Amulung, Gerbert und Thiadrik mit einem
Gewissen Godebold einen Vergleich über einen strittiges Gut schloss.
Dessen Nachkommen haben diesen Oberhof, zu dem eine Anzahl kleinerer
Höfe gehörte, weiter an die Ruhr verlegt und dort ist dann das alte
Haus Berge oder Witten
entstanden, nachdem sich die Besitzer,
die Edelherren von Witten benannten. So konnte die Straße über die
Ruhe auch besser verteidigt werden. Mit dem Hause Berge, das ich auf
einem 16 Meter hohen Felsen an der Ruhr erhebt, waren nicht weniger
als 20 Rittersitze und 6 Mannlehnen verbunden, alles zum Zwecke, den
Ruhrübergang zu decken.
Als erstes Mitglied dieser adligen
Familie von Witten tritt 1248 ein Eberhard von Witten auf, den der
Abt zu Werden als Burgmann von Neu-Isenberg bei Rellinghausen
bestellt. In der Folge kommen die von Witten recht oft in Urkunden
vor, besonders in ihrem Verhältnis zum Landesherren, dem Grafen von
der Mark, so allein zweimal 1345 und 1391 bei einem Vergleich der
letzteren mit der Stadt Dortmund. An Fehde und Streit werden sie
auch wohl beteiligt gewesen sein; denn 1407 wird Hermann von Witten
vom Bischof von Münster gefangen und 1438 sein Sohn von den
Dortmundern. Der letzte aus diesem Geschlecht, dass zwei
anspringende Löwen im Wappen führte, war Rotger von Witten, der zwei
Töchter hinterließ. Katharina, die älteste, vermählte sich 1481 mit
Dietrich Staël von Holstein zum Hardenstein und brachte diesem als
Heiratsgut die Herrschaft und das Gericht zu Witten mit.
Da aber diese Ehe ohne
männliche Nachkommen blieb, so fiel mit der Vermählung der Erbin
Beatrix Staël von Holstein zu Witten sämtliche Güter an deren Gemahl
Heinrich von Brempt vom Hause Vlasrad im Herzogtum Geldern. Derselbe
ward 1516 von Kaiser Maximilian "um der getreuen Dienste Willen,
welche er und seine Vorfahren Kaiser und Reich geleistet, mit dem
Gericht Witten und Zubehör" sowie einer Anzahl von Mannlehen
belehnt. Über 100 Jahre saßen die von Brempt auf dem Hause Witten,
in steten Streitigkeiten mit der Familie von Stammheim auf Haus
Krengeldanz, die als Rechtsnachfolgerin einer Nebenlinie Ansprüche
auf die Herrlichkeit Witten stellte. Der letzte von Brempt Lubert
starb 1650 und nun kam Witten an dessen Schwiegersohn Gerd von der
Reck auf Haus Scheppen bei Werden. Diese Linie hielt die Herrschaft
bis 1747, in welchem Jahr sie mit dem Tode Gerhards von der Reck,
der königlich preußischer Kammerherr und Landdrost der Grafschaft
Mark war, einging. In dem ausbrechenden Erbstreite kommen endlich
die von Schirp in den Besitz der Reichsgüter und der
Gerichtsbarkeit, während die Privatgüter an die Familie von Mirbach
kamen. Als dann 1770 ein Fräulein von Schirp den Freiherrn von Ritz
heiratete, kam die Herrschaft Witten an dieses Geschlecht, von dem
1815 der Kaufmann Friedrich Lohmann zu Rahlenbeck bei Schwelm das
feste aber verfallene Haus Berge erstand und es zu einer Fabrik
umgestaltete, ohne aber dem äußeren Ansehen der alten Burg Abbruch
zu tun. Der frühere Schlossgarten ward in einen herrlichen Park
verwandelt.
Der Inhaber der
Herrschaft Witten war gleichzeitig Gerichtsherr. Das Gericht Witten
hatte einen Umfang von 2 Stunden und gehörte zu den fünf freien
Gerichten der Grafschaft Mark: Witten, Herbede, Stiepel, Horst und
Mengede. Die Appellation ging von hier nach der Reichsstadt
Dortmund. Jeder Besitzer der Herrschaft Witten versäumte nicht, vom
Kaiser die Belehnung damit zu erhalten, Streitigkeiten führte. Doch
hatte der Richter zu Witten bei dem geringen Umfang seines Bezirks
nur wenig zu tun, weshalb man nicht selten den benachbarten Richtern
zu Hagen und Herdecke die Schlichtung der Streitigkeiten übertrug,
wozu auch hauptsächlich Sparsamkeitsrücksichten zwangen. Nach dem
Bestellungsbriefe für den letzten Landrichter Bölling, der in Bochum
wohnte sollte dieser erhalten: "alle Gerichtsgebühren für Erteilung
der Hochzeiten, auf den Jahrmärkten von dem Landesherrschaft von dem
herrschaftlichen Standgeld 1 Stüber, die Hälfte der jährlich
einkommenden Strafen, und als Lehnrichter alle Akzidentien, die
einem Richter von dieser Bedienung zuflossen." Die Befugnisse des
Richters schwanden von Jahrhundert zu Jahrhundert, und wenn wir im
16. Jahrhundert noch ein "Gericht über Hals und Haupt" haben, so hat
das Gericht Witten im 18. Jahrhundert nur noch die niedrige
Gerichtsbarkeit. 1823 wurde Witten dem Gericht Bochum unterstellt.
Aus dem ursprünglichen
Reichshofe hatte sich im Laufe der Zeit das Dorf Witten entwickelt,
das infolge seiner bevorzugten Lage und einer Ruhrfähre deren
Einnahmen allerdings Haus Berge zuflossen, schon bald ein lebhaften
Verkehr aufwies. Schon früh finden wir Wochenmärkte und drei
Jahrmärkte, zu denen sich Bewohner der Umgegend einfanden. Die Fähre
wurde durch eine Brücke ersetzt, die schon im 15 Jahrhundert
bestand, aber in Kriegszeiten zerstört worden war. Das gab der Stadt
Hattingen Anlass gegen den Wiederaufbau derselben zu protestieren,
womit sie auch lange Zeit Erfolg hatte. Erst 1675 wurde sie wieder
hergestellt. Auch wegen der Märkte entstand ein Streit mit Hattingen
der 1718 vom Könige dahin geschlichtet wurde, dass beide Orte
dieselben behalten sollten.
1559 wütete in Witten die Pest; der
spanisch-niederländische Krieg am Ende dieses Jahrhunderts brachte
Streif- und Plünderungszüge fremder Völker, die 1599 das Dorf völlig
ausbrannten, im 30-jährigen Kriege kam neues Elend, im klevischen
Erbfolgestreite lagen lothringische Truppen in Witten und steckten
trotz eines Schutzbriefes Haus Berge in Brand. In dem Reichskriege
1672 - 1679, in dem der Große Kurfürst als Landesherr der Mark auf
der Seite des Kaisers stand, rächten sich die Franzosen durch
Einquartierungen in der Grafschaft. Der in den ersten drei
Kriegsjahren angerichtete Schaden belief sich für das Gericht Witten
auf 14728 Reichstaler. 1729 legte ein heftiger Brand 12 Häuser,
darunter das Pfarrhaus, in Asche. Die folgenden schlesischen Kriege
brachten eine Stockung von Handel und Verkehr und der siebenjährige
Krieg auch schwere Kriegslasten seitens der Franzosen, die sich in
den Jahren 1806/07 wiederholten. Was das Kirchwesen angeht, so wird
schon 1269 Witten ein Kirchdorf genannt, dessen Kirche dem heiligen
Dionysius geweiht war. Daneben befanden sich zwei Vikarien.
Die Kirche gehörte zum
Dekanate Wattenscheid, doch scheint im 13- und 14. Jahrhundert der
Dechant in Witten gewohnt zu haben, wie denn 1294 "Everhardus
decanus christianitatis in Withene" eine Urkunde über die Erbpacht
eines Gutes in Bergheim besiegelt und 1316 der Dechant Conrad von
Witten vom Erzbischof von Köln beauftragt wird, über den Grafen
Dietrich von Limburg wegen fortgesetzter Bedrückung des Klosters zu
Essen den Kirchenbann auszusprechen. Das Patronat über die Kirche
besaßen die Besitzer von Hausberge, die mit denen von Kregeldanz und
Steinhausen auch in derselben ihre Erbbegräbnisstätten hatten. Das
Bild der Gottesmutter auf dem Marienaltar stand im Mittelalter in
dem Rufe eines Gnadenbildnisses, zu dem man wallfahrte. Auch wurde
an diesem Altar 1422 eine geistliche Bruderschaft gestiftet, der
hoch und niedrig angehörte. 1582 war nach einer Aufzeichnung im
kirchlichen Lagerbuch die Einführung der Reformation zum Abschluss
gelangt.
1814 wurde Witten der
neuen Provinz Westfalen zugeteilt und gehörte zum Kreise Bochum seit
1825 ist der Ort als Stadt anerkannt und führt seit 1883 das alte
Wappen derer von Witten mit der Mauerkrone im Siegel. 1898 schied
Witten aus dem Verbunde des Kreises Bochum aus und bildete seit
dieser Zeit einen eigenen Stadtkreis. Hatte Witten 1818 erst 1610
Einwohner seit in den 50er Jahren eine Anzahl Eisenhütten und
Gießereien entstanden, sehr schnell, so dass die Stadt heute 46198
Einwohner zählt.
Lenhäuser, A.. Klöster, Burgen und feste Häuser an der Ruhr. Von Hohensyburg bis zur Ruhrmündung. Essen 1924
Kreis- und
Stadt-Handbücher des Westfälischen Heimatbundes:
Kreis Ennepe-Ruhr -
Stadt Hagen |