
Eine halbe Stunde von
Steinhausen liegt im Tale, von bewaldeten Bergeshöhen überragt, die
Ruine Hardenstein,
um welche die Sage die
Geschichte vom Zwergenkönig Goldemar spinnt. Karl der Große soll die
Burg dem trotzigen Sachsenführer Wittekind nach dessen Taufe
geschenkt haben. Doch hat um diese Zeit hier noch kein festes Haus
gestanden, vielmehr ist es erst im 14. Jahrhundert gebaut worden. Um
1355 verkaufen nämlich die Dynasten von Hardenberg ihren alten
Stammsitz bei Neviges an den Grafen von Berg und wandern nach dem
Hartenstein im schönen Tale der Ruhr aus. Sie nennen sich anfänglich
nach dem Schlosse ihrer Väter von Hardenberg, nehmen aber schon bald
den Namen Hardenstein an.
Heinrich III. von
Hardenstein starb 1369 und hinterließ zwei Söhne Neveling und
Heinrich, beide recht kriegerische Naturen. Mit ihren Vettern von
Oefte begeben sie sich in den Dienst des Erzbischofs von Köln und
stehen diesen im Kampf mit der Stadt Köln bei. Bald darauf schon
helfen sie aber den Kölnern gegen den Erzbischof. Der Jüngere hat
dann 1378 eine Fehde mit der Stadt Dortmund. Er hatte nämlich von
einem dort wohnenden Juden eine größere Summe Geldes geliehen. Da er
sich weigerte zu zahlen verklagte ihn der Jude beim Rate der Stadt.
Dieser forderte Heinrich zur Zahlung auf. Das aber war dem stolzen
Junker zu viel. Rasch war ein Bündnis mit gleichgesinnten Freunden
geschlossen, und sie sagten der Stadt Dortmund Fehde an. Mit 1000
Bewaffneten zogen sie dorthin und gedachten, leichten Kaufes die
alte Hansestadt überrumpeln zu können. Aber die hatten feste Mauern
und starke Tore, die gut bewacht wurden. Da ersannen die
streitlustigen Herren eine List. Rötger von Gysenberg schlich sich
verkleidet in die Stadt in die Wohnung seiner Freundin, der Gräfin
von Vierbecke. Mit ihr beredete er folgenden Plan: Am Michaelistage
sollten zwei hoch beladene Fuhren mit Heu, unter dem sich Bewaffnete
versteckt hielten, durch das Wissstraßentor hineingelassen werden.
Sobald die Torflügel geöffnet waren, musste die Gräfin ein Zeichen
mit einem Tuche geben; dann wollten die Freunde aus dem Hinterhalt
hervor brechen und in die Stadt eindringen.
Der Plan schien zu
gelingen. Als der nichtsahnende Wächter die Tore aufschließen
wollte, um die Wagen hinein zu lassen, gab die Gräfin vom Torhaus
aus das verabredete Zeichen, worauf die Belagerer mit lautem
Geschrei heran stürmten aber es war zu früh; die Torflügel waren
noch nicht geöffnet. Der Wächter machte Alarm und ein gewaltiger
Auflauf entstand. Die Gräfin wurde ergriffen und noch an demselben
Tage auf dem Marktplatz verbrannt. Die belagere aber zogen ab.
Röttger von Gysenberg viel bald den Dortmundern in die Hände und
wurde erdrosselt. Heinrich von Hardenstein aber begann im folgenden
Jahre mit seinem Vetter Engelbert eine Fehde gegen den Herzog
Wilhelm von Jülich. Dabei wurden beide von den Bundesgenossen
desselben, den streitbaren Kölner Bürgern wegen Landfriedensbruch
zum Tode verurteilt und enthauptet.
Neveling von
Hardenstein aber zog sich nach einem Leben voller Abenteuer auf
seine Burg zurück und ward ein ruhiger Mann, der sich aber oft bis
tief in die Nacht hinein mit allerlei abergläubischen Dingen abgab.
Als er eines Abends grübelnd vor dem Kaminfeuer saß, hörte er dass
sich die Tür öffnete. Er schaute sich um, doch bemerkte er keinen
Menschen. Da sprach eine helle Stimme: "Ich bin der Zwergenkönig
Goldemar und will Dir dienen . Damit war der Hardensteiner wohl
zufrieden und lud ihn ein zu bleiben. Bald entstand zwischen ihnen
ein freundschaftliches Verhältnis; sie aßen an einem Tische und
schliefen in einem Bette- Goldemar war dem Burgherren sehr ergeben
und stand ihm in seinem Unternehmungen mit Rat und Tat bei, sodass
der Hardensteiner in allen Dingen nur Glück hatte. Aber er konnte
seinen Gast nicht sehen, eine Tarnkappe machte Goldemar unsichtbar.
Doch ließ er zuweilen seine Hände fühlen, die waren weich wie eine
Maus und kalt wie eine Froschhaut.
"Aber seine Stimme
lautete den süßen Flöten gleich.
Sein Sprechen schon, sein Flüstern war lieblich wie Gesang.
Und griff er in die Saiten, so tat er allen Herz Zwang,
Dass ihn lieben musste, wie gram ihm einer war,
Drum hatt' ihn Nebeling gerne, den König Goldemar."
Die Mär von der
Anwesenheit des Königs der Zwerge verbreitete sich in der ganzen
Umgegend, und täglich hatte der Hardensteiner Besuch von Damen und
Herren der Ritterschaft die mit Goldemar bekannt werden wollten. Man
saß mit ihm zu Tisch, mit trank mit ihm Wein, man würfelte mit dem
unsichtbaren Gast und überhäufte ihn mit Fragen. Wenn man ihn aber
necken wollte, so kam man ja übel an. Der Kobold erzählte dann
kleine Vergehen aus dem Leben der Besucher, sodass diese erschraken
und oft schamrot wurden. Dann aber war er auch wieder schnell
versöhnt, schlug wunderbar die Harfe und sang wehmütige Lieder von
Liebe und Sehnsucht. Es war bald offenbar, dass sein Gesang der
schönen Golalinde galt, die bei ihrem Onkel weilte. Nachdem Goldemer
drei Jahre auf dem Hardenstein gewohnt hatte, war er eines Tages mit
Gotalinde verschwunden.
Der westfälische
Geschichtsschreiber von Steinen gibt die Sage in anderer Form: Von
dem Hause Hardenstein wird die heydnische Fabel erzählet, dass sich
vor Zeiten ein Erdmängen aufgehalten, welches sich König Volmar
gemeldet und diejenige Kammer bewohnt hättet, welche von den
heydnischen Zeiten bis auf den heutigen Tag Volmars Kammer heißt.
Dieser Volmar musste jederzeit einen Platz am Tische und einen für
sein Pferd im Stalle haben, da denn auch jederzeit die Speisen, wie
auch Hafer und Heu verzehret wurden, von Menschen und Pferden aber
sah man nichts als den Schatten.
Nun trug es sich zu,
dass auf diesem Hause ein Küchenjunge war, welcher begierig seyende,
diesen Volmar, wenigstens seine Fußstapfen zu sehen, hin und wieder
Erbsen und Asche streute, um in solcher Gestalt fallend zu machen.
Allein es wurde sein Vorwitz sehr übel bezahlet; denn auf einen
gewissen Morgen, als dieser Knabe das Feuer anzündet, kam Volmar,
brach ihm den Hals und hieb ihn zu Stücken, da er die Brust an einen
Spieß steckte briet, etliches röstete, das Haupt aber nebst den
Beinen kochte.
Als der Koch bei seinem
Eintritt in die Küche dieses erblickte, wurde er sehr erschrocken
und durfte sich nicht in die Küche wagen. Sobald die Gerichte
fertig, wurden solche auf Volmars Kammer getragen, da man denn
hörete, dass sie unter Freudengeschrey und einer schönen Musik
verzehret wurden. Und nach dieser Zeit hat man den König Volmar
nicht mehr verspühret, über seiner Kammertür aber war geschrieben,
dass das Haus künftig so unglücklich seyn sollte, als es bishero
glücklich gewesen wäre, auch dass die Güter versplittert und nicht
ehender wieder zusammen kommen solten, bis das drey Hardenberge von
Hardenstein im Leben seyn würden.
Der Spieß und Rost sind
lange zum Gedächtnis verwahret, aber 1651, als die Lotharinger in
diesen Gegenden hauseten, weggeplündert wurden, der Topf aber, der
auf der Küchen eingemauret ist, ist heute noch (1760) vorhanden."
Verlassen wir die Sage und kehren zur Wirklichkeit zurück. Der Fluch
des Zauberkönigs hat seine Erfüllung gefunden. Mit Nevelings Sohne
heinrich-erlosch um 1450 das Geschlecht der Hardensteiner. Letzterer
hinterließ eine Tochter Christine, die an Robert Stael von Holstein
vom Hause Heisingen vermählt war; das Haus Hardenstein aber gelangte
als Heiratsgut an Beatrix Stael von Holstein an die von Brempt, die
auf Haus Witten saßen, um 1520. Von diesem fiel die Burg 1603 mit
Elisabeth von Brempt an deren Gemahl Melchior von Laer. Auf dem
Rittergut aber häuften sich die Schulden, deshalb verkaufte es 1738
die Witwe von Laer, geb. von Keppel, an Alexander Sweder von Spaen.
1787 kam das schon stark parzellierte Gut an die von Boenen und 1815
an den Grafen von Westerholt-Gysenberg, von dem es 1902 der
Gutsbesitzer Dünkelberg auf Steinhausen ankaufte.
Von der Burg, die von beträchtlicher Größe gewesen sein muss, sieht
man noch heute die mächtigen Überreste; ein Teil ist beim Baue der
Ruhrtalbahn, die hart an der Ruine vorbeiführt, weggeräumt worden.
Durch das gut erhaltene Burgtor gelangt man in den großen
Schlosshof, wo an einer Mauer sich ein kleines Bauernhaus erhebt.
Vor uns ist das Hauptgebäude, flankiert von zwei gut erhaltenen
runden Warttürmen. Im alten rittersaale ist deutlich die Kaminanlage
erkennbar, und in den Befestigungsmauern gewahrt man die früheren
Schießscharten.
Die einsame Lage der
Ruine, fest an den Bergen, ohne eigentlichen Zugangsweg, macht, dass
Hardenstein, wo die schönste Ruine an der Ruhr, so wenig gekannt
ist. Wer aber einmal an einem späten Herbstnachmittage, wenn die
feuchten Ruhrnebel wie Geistergewänder den Hardenstein einhüllen und
in den Zweigen der Bäume der Wind spielt, vor der Burg weilt, der
ist bald im Banne der Sage und glaubt in dem dunklen Gemäuer
Goldemar mit seiner Zwergenschar ihr unheimliches Wesen treiben zu
sehen.
Lenhäuser, A.. Klöster, Burgen und feste Häuser an der Ruhr. Von Hohensyburg bis zur Ruhrmündung. Essen 1924
Kreis- und
Stadt-Handbücher des Westfälischen Heimatbundes:
Kreis Ennepe-Ruhr -
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