
Haus Hove
am Bahnhof Oberwengern gelegen und aus
grünen Obstbäumen hervorlugen, sollte man der frühe über der Tür des
Herrenhauses befindlichen Inschrift bis in die fernsten Zeiten ein
blühendes Geschlecht sehen; aber schon bald ist es in Trümmer
gesunken. Die ersten Besitzer waren die edlen Ritter von Hove; von
ihnen kommt das gut an die von Hoete. Von denen 1452 ein Steven von
Hoete als Lehnsmann des Herzogs von Kleve-Mark erscheint. Nach 1614
saßen sie auf Hove, wie man aus einer Klagesache des Hermann von
Mallinckrodt gegen den Hoete zum Hove hervorgeht. Sie gehörten zu
den Edlen der märkischen Ritterschaft und stellten in Kriegszeiten
beim Landesherrn zwei Pferde. Da sie ein flottes Leben liebten, so
steckten sie bald tief in Schulden und verkauften deshalb 1725 das
Gut an einem Kaufmann. Aber auch dieser konnte es nicht halten, so
erwarb es 1743 der preußische Kriegs- und Domänenrat Otto von
Schwachenberg, dem auch das Gut Schlebusch bei Silschede gehörte.
Dieser ließ den verfallenen Rittersitz völlig erneuern und den
verwilderten Park wieder in Ordnung bringen. Sein Sohn Dagmar hatte
nur zwei Töchter, den die jüngste eine Freiherrn von Elberfeld
heiratete und diesem das gut Schlebusch zu brachte, während die
älteste, Henriette, Haus Hove bekam. Mit ihrem Mann, dem Kaufmann
Karl Theodor Elbers in Barmen, lebte die geistig hochstehende Frau
in unglücklicher Ehe. Nach der Scheidung derselben kehrte Henriette
nach Hove zurück, nahm ihren Mädchennamen wieder an und widmete sich
ganz der Erziehung ihrer beiden Kinder. Hier trat schon bald der
junge Dichter Hoffmann von Fallersleben in ihren engeren
Bekanntenkreis, und es entspann sich zwischen der 27 Jahre alten
Frau und dem jungen Dichter ein inniges Freundschafts- und
Liebesverhältnis, das in manchen Beziehungen an die Liebe Goethes zu
Frau von Stein erinnert. Leider ist es zu wenig bekannt, so daß es
von Interesse sein dürfte, daüber Näheres zu erfahren.
Es war im Frühjahr 1820. Der 22-Jährige
August Heinrich Hoffmann studierte an der Universität zu Bonn und
kam mit seinem Freunde Wilhelm Hengstenberg aus Wetter in das
Ruhrtal, um hier einige Tage seiner Ferien zu verbringen. Bei ihren
gemeinschaftlichen Streifereien durch die schöne Gegend kamen sie
auch nach Howe. In seinem Buche "Mein Leben" berichtet Hoffmann
darüber wie folgt: "Die Frau vom Hause Henriette empfing und sehr
freundlich, wir blieben den Nachmittag da waren sehr heiter und
gingen erst am Abend wieder heim, so freundlich und liebenswürdig
sie war, so blieb doch auf ihrem Gesicht die Trauer über ein
verlorenes Jugendglück und ein Anflug unbefriedigter Sehnsucht und
der Schmerz der Hoffnungslosigkeit.Ihr Schicksal hatte sie
vorsichtig gemacht in der Wahl ihres Umganges und ängstlich in ihren
Äußerungen mit Fremden. Es musste sie angenehm überraschen, jemanden
vor sich zu sehen, der offen und halte sich über alles aus sprach,
von dem sie für sich und ihr Schicksal Teilnahme erwarten durfte.
Ich fühlte, dass ich ihr nicht gleichgültig war. Der Besuch wurde
sehr bald wiederholt. Wir wurden immer freundlich ja aufgenommen, es
wurde mir dort heimische, so dass ich ohne Wilhelm hingehen. Die
Unterhaltung wurde dann sehr lebhaft und mannigfaltig. So wuchs
unsere wechselseitige Neigung und wurde bei mir etwas
leidenschaftlich. Henriette konnte das nicht fremd bleiben. Was ich
nicht mündlich anzusprechen vermochte, warte ich schriftlich. Gehe
ich Wetter verließ, erhielt Henriette meinen ersten Brief".
Aber die Antwort lieb aus, wodurch die
Liebe des jungen Dichters zu der Edelfrau nur noch gesteigert wurde.
Er sehnte sich nach Hove, und im Juni kehrte er, von Bonn kommend,
wieder dort ein um sich die Antwort auf seine Werbung zu holen. Aber
obwohl Henriette die wärmsten Gefühle für ihn hatte, so wollte sie,
gewitzt durch ihre trüben Erfahrungen, einer tiefen Liebe in ihrem
Herzen keinen Raum geben. Seine Wiederkehr berührte sie peinlich,
bald merkte er dass er auf Erfüllung seiner Bitte nicht rechnen
konnte. Reiste wieder nach Bonn, und hier erreichten ihn bald zwei
Briefe Henriettens, aus denen das tiefe Entsagen der jungen Frau so
fühlbar spricht, " Weh tut mir der Gedanke, das durch mich ihre Ruhe
und Zufriedenheit gestört ist, aber bei ruhigem Nachdenken werden
sie es selbst fühlen, dass mein Besitz nie ihre Wünsche befriedigen
und ihr Glück ausmachen kann." Sie spricht dann von ihrem
enttäuschten Leben und bittet ihn, seine Empfindungen zu bekämpfen,
damit er und sie Ruhe hätten und „dann schenken Sie der Frau, in die
sie jetzt ein so hohes Vertrauen setzen, freundschaftliche
Besinnung. Seien Sie überzeugt, dass mich nichts mehr erfreuen kann,
als wenn ich vernehme, dass sie glücklich sind.
Aber die tiefe Zuneigung zu Hoffmann
blieb in ihrer Brust und erstarkte, bittet ihn um sein Bildnis, um
ein Andenken an ihren Freund zu haben, sie sendet ihm Briefe über
Briefe, schickt ihm kleine Handarbeiten und verzehrt sich, da sie
keine Antwort erhält, in Sehnsucht nach ihm. Hoffentlich manchen
morgen die Sonne aufgehen, ob mir der Tag keine Nachricht vom
Freunde brächte. Lange hielt mich die Hoffnung, doch jetzt er löscht
sie, mir bleibt nur die Erinnerung an eine schöne Zeit. Das letzte
Lebenszeichen aus dieser Zeit erhielt sie 1821, indem ihr Hoffmann
seine 1821 erschienenen "Lieder und Romanzen" mit der Widmung "Dir!"
schickte. Was ihn abhielt, der Freundin zu antworten, war vor allem
der Verdacht, Henriette hätte in ihrem adligen Standesdünkel ihn,
den Bürgerlichen, verschmäht, aber damit tat er der von Vorurteilen
freien Frau bitteres Unrecht.Dann streifte er ruhelos in
Deutschland, Holland und Belgien umher und schwärmte dort in
leichtem Sinn für schöne Frauen.
Die dauernde Vernachlässigung machte im
Herzen der Frau einer ruhigen Freundschaft Platz, und als 1826 ihr
Vater starb, reichte sie dem Justizkommissar im späteren Landrat des
Kreises Hagen Gustav Voerster die Hand zum Ehebunde. Unterdessen
hatte Hoffmann von Fallersleben endlich einen Lehrstuhl für deutsche
Literatur an der Universität zu Breslau erlangt, aber seine 1841
erschienenen "unpolitischen Lieder" brachten ihn um sein Amt. Seine
Freunde und Gönner wandten sich von ihm ab, nur die Freundin aus dem
Ruhrtal hatte Mitleid mit dem Geächteten. Sie nahm den Briefwechsel,
der 14 Jahre geruht hatte, auf und schickte ihm 1842 einen recht
herzlichen Brief, indem sie sich anbot, für ihn zu sorgen. "Sagen
Sie mir offen, was Sie bedürfen, es ist für mich die schönste
Freude, ihre Lage zu erleichtern. Ich habe ein altes, heiliges Recht
auf ihr Vertrauen." Auf diesem Brief erhielt sie eine ebenso
herzliche Antwort und endlich auch sein Bild, auf dass sie über 20
Jahre gewartet hatte.
Bald sollte auch ihr sehnlichster
Wunsch, den Jugendfreund wiederzusehen, erfüllt werden. Es war am
15. und 16. August 1843 in Laubach bei Koblenz, wo Henriette zur Kur
weilte. Hoffmann schreibt darüber: "Ich sitze nach 25 Jahren wieder
neben Henriette. Welche Erinnerungen! Ich muss ein altes Andenken
annehmen - o, diese Liebe1" 2 Monate später kam er dann auf
dringendes Bitten nach Hove und fand bald in dem Gatten seiner
Freundin einen aufrichtigen, ehrlichen Charakter. Dann sah er
Henriette 1844 noch einmal in Bad Königstein im Taunus. Im nächsten
Jahre starb sie und ward in der Familiengruft auf dem Friedhof in
Wengern begraben. Hoffmann, der in Mecklenburg weilte, erhielt
diese Nachricht von ihrem Tode erst 4 Monate später. In stiller
Stunde weihte er der Verstorbenen manche Träne "bis tief in die
Nacht hinein", wie er in seinen Tagebüchern vermerkt. Als Gast hat
er dann noch viermal auf Hove geweilt, zuletzt 1850 mit seiner
jungen Frau, die er im Jahre vorher geheiratet hatte. Er starb 1870
zu Corvey an der Weser.
Am 22. September 1920 hat man in
feierlicher Weise an Haus Hove eine Gedenktafel mit dem Bilde
Hoffmanns von Fallersleben angebracht. Im Schlossgarten aber steht
noch die Zitterpappel, in deren Rinde vor 100 Jahren der
schwärmerische Jüngling ein H, den Anfangsbuchstaben des Namens
seiner Geliebten, einschnitt.
Haus Hove kam 1868 durch Kauf an Dr.
Strausberg in Hagen, 1873 an den Fabrikanten Hamacher in Barop und
1898 an den Fabrikbesitzer Bönnhoff in Wetter. Dieser ließ den
zerfallenen Rittersitz ganz im Stile der alten Zeit wieder
herstellen.
Quelle: Lenhäuser, A.. Klöster, Burgen und feste Häuser an der Ruhr. Von Hohensyburg bis zur Ruhrmündung. Essen 1924
Kreis- und
Stadt-Handbücher des Westfälischen Heimatbundes:
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