
Stadt und Stift Essen
verdanken ihre
Entstehung dem Bischof Altfriedvon Hildesheim, der um 852 auf
seinem väterlichen Erbe, den Hofe "asnide" ein Kirchlein und daneben
ein Frauenkloster für die Töchter der sächsischen Adels errichtete.
Doch muss festgehalten werden, dass diese Einrichtung kein Kloster
im Sinne der heutigen Zeit gewesen ist. Von den Insassen, deren Zahl
anfangs auf 50 berechnet war, legte nur die Äbtissin das Gelübde der
Keuschheit ab, während die übrigen sich zwar zum gemeinsamen Gebet
und Gottesdienst im Kloster einfinden mussten, im übrigen aber
Privateigentum besitzen und erwerben durften, auch stand es ihnen
frei, jederzeit wieder in die Welt zurückzutreten. So spricht man
denn besser von einem freiweltlichen Kanonissenstift und den
Stiftsdamen.
Das Stift Essen
erlangte schnell weiten Ruf und hohen Glanz, hauptsächlich durch
seine Äbtissinnen, die den höchsten Kreisen des Adels entstammten
und von denen einige sogar königlichen Geblütes waren. Nach und nach
wurden ihm eine solche Menge Schenkungen an Gütern zuteil, dass es
zu den reichsten im Reiche gehörte. Ee bezog den Zehnten von den
Ländern zwischen Ruhr und Emscher, vom Papste erhielt es 947 das
Recht der freien Äbtissinnenwahl und die Befreiung von der
geistlichen Gerichtsbarkeit und vom Kaiser völlige Immunität von
jeder weltlichen Gerichtsbarkeit. Ausgestattet mit Reichtum an Land
und Leuten und im Besitze einer großen Zahl von Privilegien, schwang
sich das Stift in 400 jahren zu einer solchen Macht empor, dass es
reichsunmittelbar wurde und die Äbtissin in einer Urkunde des
Kaisers Heinrich VII. vom Jahre 1231 "Princeps" (Fürstin) genannt
wurde. Die Fürstäbtissin besaß alle Hoheitsrechte, das Bergwerks,
Zoll- und Münzregal, das Judengeleit u.a. und hatte Sitz und Stimme
auf den deutschen Reichstagen. Die Vogtei des Stiftes lag anfänglich
bei den Grafen von Altena und Berg, dann in den Händen Friedrichs
von Isenberg, der seine Stellung, wie bereits gesagt wurde,
mißbraucht und dadurch den Sturz seines Hauses herbeiführte; endlich
kam sie an die Grafen von der Mark und dann an Preußen.
Um die Burg, wie die
Gebäude der Abtei genannt wurden, wickelte sich allmählich das Dorf
"Essende" oder Essen. Im Jahre 926 wurde dies schon mit einer
Pfahlhecke umgeben; als Stadt wird Essen zuerst 1243 genannt. War
diese auch aus dem Stift hervorgegangen, so traten nach und nach
zwischen beiden scharfe Unstimmigkeiten ein. Mit dem Aufblühen der
Stadt Essen, wo neben Handel das Tuchmacher- und
Büchsenmachergewerbe als besonders hervorragend genannt werden,
erstarkte der Gemeinsinn der Bürger, die sich von der Landeshoheit
der Fürstäbtissin freimachen wollten. Die Gegensätze verschärften
sich, seit 1377 der Kaiser Karl IV. gelegentlich eines Besuches in
Essen dieses zur "freien Reichsstadt" erhoben hatte. Streitigkeiten
arteten allmählich in offene und tätliche Feindschaft aus, was zur
Folge hatte, das verschiedene Äbtissinnen die Burg verließen und auf
ihren Schlössern zu Borbeck und Steele Hof hielten.
Stürmische und bewegte
Zeiten waren die letzten Jahrzehnte des 16. und das ganze 17.
Jahrhundert. Streitigkeiten zwischen Fürstin und Stift, zwischen
Stift und der Stadt Essen, Religionswirren zwischen Katholiken,
Lutheranern und Reformierten, dazu ein unaufhörliches Kriegstreiben
füllten diese Jahre aus. 1583 führte der Krieg zwischen dem
protestantisch wordenen Erzbischofe von Köln Gebhard von Waldenburg
und seinem Nachfolger die Spanier ins Land; nach der Beendigung des
Kölnischen Krieges wurde das Stift kriegsschauplatz zwischen Spanien
und den Niederlanden; der 30jährige Krieg war bis 1629 in unserer
Gegend ein offener Religionskrieg, dann folgten die französischen
Raubkriege, bei denen das Hochstift sowohl als auch die Stadt essen
unsägliches zu leiden hatten und völlig verarmten. Und auch das 18.
Jahrhundert ließ die Gegensätze zwischen Stift und Stadt und den
Konfessionen nicht erlöschen, wozu dann noch die Durchzüge,
Einquartierungen und Requirierungen französischer und preußischer
Truppen während des siebenjährigen Krieges kamen. So konnte auch die
Stadt Essen keinen Aufschwung nehmen, kaum wieder erwachtes
gewerbefleißiges Leben durch Partei- oder Religionshader oder
Kriegsunruhen zugrunde ging. Erst aus den Trümmern des Stiftes
erblühte schnell neues Leben.
Als der Friede von
Luneville (9. Februar 1801) den Rhein als Grenze zwischen Frankreich
und Deutschland festsetzte, sollten die deutschen Fürsten für ihre
Verluste auf der linken Rheinseite durch geistliche Stifter, die man
säkularisierte, entschädigt werden. So kam das Hochstift Essen mit
den Städten Essen und Steele, ein Gebiet von etwa 85
Quadratkilometer und 13000 Einwohnern, an Preußen. Nun begann der
aufschwung der Stadt Essen, der sich der Stelle an den Namen krupp
und seine Gussstahlfabrik knüpft.
Der Begründer derselben
Friedrich Krupp, der zu Anfang des 19. Jahrhunderts in Essen eine
kleine Schmiede betrieb und nebenher Versuche in der Bereitung eines
Gußstahls betrieb, den bisher nur die Engländer verfertigten. 1816
hatte er das Geheimnis der Herstellung er gründet und errichtete nun
im Westen der Stadt einen kleinen Schmelzbau. Aber die
geschäftlichen blieben infolge mangelhafter finanzieller
Unterstützung aus, und in seinen Hoffnungen getäuscht, starb
Friedrich Krupp 1826 im besten Mannesalter, 39 Jahre alt. Sein Sohn
Alfred, beim Tode des Vaters erst 14 Jahre alt, übernahm, anfänglich
unter der Leitung seiner Mutter, des Vaters Werk, und durch
umsichtiges Eingehen auf die neuesten Erfindungen auf dem Gebiete
der Technik und Chemie, durch seine erstaunliche Willenskraft und
Arbeitsfreudigkeit, die ihn jahrelang mit Schurzfell und Hammer ihn
selbst arbeiten ließ, gelang es ihm, ein Walzwerk zur Anfertigung
von Löffeln Gabeln zu bauen, dass ihm ansehnlichen Gewinn und die
Mittel zur Vergrößerung seines Betriebes brachte. Eine weitere
Erfindung war die Herstellung von ungeschweißten Radreifen und
endlich seit den 40er Jahren das Verfahren, aus Gussstahl
Gewehrläufe, Kanonen und sonstiges Kriegsmaterial herzustellen,
wodurch er sich Weltruf verschaffte. 1887 starb er auf seiner Villa
Hügel, die aus herrlichen wäldern weit in das schöne tal der Ruhr
herabschaut. Sein Sohn Friedrich Alfred führte die Fabrik, die sich
von Jahr zu Jahr vergrößerte und zu der eine Anzahl Zweigbetriebe,
Kohlenzechen, Eisensteingruben und Hüttenwerke gehörten, zu
ungeahnter Höhe. Als er 1902 starb, hinterließ er zwei Töchter. Die
Fabrik wurde in eine Aktien-Gesellschaft umgewandelt. Nach dem
Kriege 1914/18 musste die Herstellung von Kriegsmaterial aufgegeben
werden, und so ist der gesamte Betrieb dann verhältnismäßig schnell
auf die Herstellung von Erzeugnissen für Verkehrs- und gewerbliche
Zwecke umgestellt worden.
Die stete Zunahme der
Kruppschen Fabrik auch die Stadt Essen zu einer Großstadt
heranwachsen, die nach Einziehung verschiedener umliegender
Gemeinden 470496 Einwohner zählt.
Im Wappen hat die Stadt
einen schwarzen gekrönten Reichsadler in goldenem Feld und daneben
ein goldenes Schwert mit blauem Feld. Die Stadtfarben sind
gold-blau.
Unter den
Kunstdenkmälern der Stadt ragt die ehrwürdige Stifts- oder
Münsterkirche hervor, eines der ältesten christlichen Baudenkmäler.
Sie ist eine Hallenkirche mit schmalen Seitenschiffen. Diese und
das Chor sind gotisch, der Kuppelbau und die Krypta romanisch. Aus
dem Vorhof, dem Paradies, in seiner ursprünglichen Form aus dem Ende
des 10. Jahrhunderts stammend, gelangt man in den Westbau, " das
geistreichst komponierte und sorgfältigst ausgeführte rheinische
Bauwerk des 10. Jahrhunderts ". Er ist von rechteckiger Form, von
einer Halbkugel überwölbt und hat drei Schiffe, worin ein
dreiseitiger Chor eingefügt ist. Über demselben erhebt sich ein in
ein Achteck übergehender, dreistöckiger Glockenturm. In einer Nische
erblickt man eine Darstellung des Heiligen Grabes, eine Gruppe fast
lebensgroßer figuren aus dem Jahre 1520. In der Krypta steht der
Sarkophag des heiligen Altfried, vor dem Chöre ein siebenarmiger
Leuchter, das Geschenk der Äbtissin Mathilde (973-1001). Im
nördlichen Seitenchore ist der alte Hochaltar, ein Reliquienschrank
mit Flügeln, aufgestellt. Er zeigt vier Gemälde von Barthel Brunn
(1524): die Geburt Christi, die Anbetung der hl. drei Könige, die
Kreuzigung und die Kreuzabnahme.
Über der alten
Taufkapelle liegt die goldene Kammer mit hervorragend seltenen
Schatzstücken. Dazu gehören vier große Vortragskreuze in Email und
mit Edelsteinen besetzt, ein aus Holz geschnitztes, mit Goldblech
überzogenes Marienbild, die heiligen Kosmas und Damian, die Patrone
des Stiftes Essen, aus getriebenem Silber, ein Evangelienbuch, mit
ornamentaler Ausstattung aus vorkarolingischer Zeit, ein
Prachtschwert mit byzantinischen Ornamenten geschmückt, das früher
bei Aufzügen der Äbtissin als Zeichen ihrer ritterlichen Gewalt
vorangetragen wurde, ferner eine Anzahl Reliquiare, Monstranzen,
Kelche und Messgewänder. Von Interesse ist ein altes Kettenbuch, das
die ältesten Abgaben der Essendischen Höfe enthält und seiner
Wichtigkeit wegen an eine Kette angeschlossen war.
Die Marktkirche, 1066
erbaut, hat am Ende des 15. Jahrhunderts eine umfangreiche
Ausgestaltung erfahren. Den alten Abteigebäuden ist nur noch die
ehemalige Kanzlei am Ende das Burgplatzes erhalten geblieben.
Gegenüber liegt das Gymnasium, 1819 aus der Vereinigung der
katholischen Stifts- und protestantischen Stadtschule
hervorgegangen.
Vom Essener Hochstift
geht eine anmutige Sage. Zur Zeit, als Adelheid, die Schwester
Kaiser Ottos II. dem Kloster vorstand, befand sich in ihrer Obhut
die junge Nichte Mathilde, welche hier ihre Erziehung vollenden
sollte. Aber diese sehnte sich hinaus aus den Klostermauern weit weg
in die alte Krönungsstadt Aachen. Dort war ja der stattliche
Pfalzgraf Ezzo von Niederlothringen, der beste Freund des jungen
Kaisers Otto III., ihres Bruders. Mathilde trug stille Liebe zu Ezzo
im Herzen, und auch dieser die hübsche Kaisertochter gerne als seine
Gemahlin heimgeführt, wenn sich nicht zwischen ihnen so große
Standesunterschiede geltend gemacht hätten. Da kam ihm der Zufall zu
Hilfe, und ergriff schnell zu.
Junge Kaiser liebte das
Schachspiel sehr und wollte sich gern mit seinem Freunde Ezzo im
Spiele messen. " Drei Spiele wollen wir machen, der Sieger mag sich
erbitten, was er begehrt!", war bestimmt worden. Nun spielten beide,
Otto in Zuversicht auf den Sieg, , Ezzo in Hoffnung der Erfüllung
seines Herzenswunsches. Und er gewann das erste, zweite und dritte
Spiel.
Da jubelte Ezzo auf und
brachte zaghaft seine Bitte um die Hand Mathildens vor. Otto sagte
zu: " Du hast mein Wort! Hole dir die Braut!" Überglücklich schwang
sich der Pfalzgraf auf sein Ross, und mit Windeseile ging es durch
die Lande gen Essen zu. Der Äbtissin zeigte er Brief und Siegel des
Kaisers, und bald wurde aus Ezzo und Mathilde ein glückliches Paar.
An den Bau der schönen,
altehrwürdigen Münsterkirche aber knüpft sich folgende Sage. Damals
lebte im Stifte Essen eine mächtige Äbtissin. Zur Ehre Gottes wollte
sie eine prachtvolle Kirche errichten, und kein Opfer war ihr dafür
zu groß. Bei einer Wallfahrt nach Rom entdeckte sie eine prachtvolle
Marmorsäule, die ihr auf vieles Bitten geschenkt wurde. Dankbar nahm
sie die Gabe an, aber sie war ratlos, wie sie dieselbe aus so weiter
Ferne nach Essen bringen könne. Da nahte sich ihr der Teufel und
erbot sich, das Werk zu vollbringen, wofür ihm die Äbtissin ihre
Seele verschreiben sollte. Nach langem Sträuben willigte diese ein,
doch wurde als Bedingung gemacht, dass die Säule am Tage vor dem
Dreikönigsfeste pünktlich zur Zeit des Aveläutens in der
Münsterkirche stehen müsse. Die Äbtissin reiste heim, von schweren
Gewissensbissen gefoltert. In ihrer Not bat sie Gott um Hilfe und
hielt mit den Stiftsdamen gemeinsame Gebete um Abwendung der Gefahr.
Doch der Teufel war auf
dem Wege und in der Nähe von Essen angelangt. Da er noch etwas Zeit
hatte, so setzte er sich mit seiner Last am Kalkhofteich vor dem
Kettwigertor nieder. Aber, o Wunder! Plötzlich fingen die Glocken
des Münsters ihr Avegeläut an. Der Teufel, in höchstem Maße
ergrimmt, dass er eine Seele verloren hatte, warf die Säule zu
Boden, daß sie barst und verschwand dann. Die Äbtissin aber ließ sie
im Westchor des Münsters aufstellen, wo sie heute noch als Zierde
steht. Zum Andenken an ihre wunderbare Rettung aus Hand des
Höllenfürsten bestimmte sie, daß alljährlich Dreikönigsabend am
Kalkhofsteich den Armen der Stadt eine Schüssel Reisbrei gespendet
werde.
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