
Nach dieser Abschweifung setzen wir unsere Burgenfahrt fort. Ruhr
nähert sich der märkischen Grenze. Da erhebt sich inmitten waldiger
Hügel auf steilen Felsen die alte
Burg Horst
Schon im 9. Jahrhundert treffen wir auf
Höfe in "Hurst", wovon das Stift essen Einkünfte hatte, auch das
Stift Werden war dort reich begütert. Der Rittersitz ist
wahrscheinlich aus dem Hofe Horstmann hervorgegangen, der dem
Oberhofe Eickenscheid bei Steele gehörte. Ein Zweig dieser Essener
Ministerialfamilie ließ sich dort nieder und nannte sich dann von
Horst. Bereits 1166 kommt in einer Urkunde des Stiftes Maria ad
Gradus in Köln ein Thidoricus de Horst vor und im folgenden
Jahrhundert finden wir die Ritter von der Horst in recht
ansehnlichen Stellungen: 1280 ist Heinrich von Horst Drost des
Grafen von Berg, 1285 nennt er sich mit seinem Bruder hugo
Ministerialer des Stiftes Essen, dann haben Glieder der Familie das
Marschallamt inne, und andere stehen in hohen kirchlichen Würden an
Domkirchen und geistlichen Stiftern.
Aber das hinderte die Herren von der
Horst nicht, sich nach der Sitte der Zeit sich gelegentlich als
Strauchritter zu betätigen und reisende Kaufleute du überfallen. Von
Interesse in dieser Beziehung eine Urkunde vom Jahre 1319. In
derselben verpflichten sich drei Brüder von der Horst, keinen
Straßenraub auf ihre Stammburg zu bringen. Als streitbares
Geschlecht beteiligen sie sich mit ihrem Landesherren, dem Grafen
von der Mark, an der großen Dortmunder Fehde. Dieser Gelegenheit
wurde Ritter Hugo 1389 gefangen und musste sich gegen ein Lösegeld
von 800 Goldschilden (Goldmünze) wieder freikaufen.
Im Jahre 1400 stirbt Hugo von der Horst
ohne männliche Erben. Sein Bruder Goswin scheint an dem väterlichen
Erbe, das vielleicht verschuldet sein mag, keine Freude gehabt zu
haben; denn er verkauft den Familiensitz an Dietrich von Vaerst, der
ein Verwandter von ihm war. Goswin selbst leg den alten Namen ab,
nennt sicheinem andern Gute seines Hauses von Hombergk und behält
nur das väterliche Wappen mit den drei Pferdepramen.
Auch die neuen Besitzer der Burg, die
einem alt-westfälischen Rittergeschlecht entstammten, waren
gewichtige Leute. 1457 war Bernd von Vaerst Drost des Stiftes Essen
und Amtmann zu Kaiserswerth. In einer Fehde mit der Stadt Körbicke
hatte er das Unglück, gefangen zu werden. Die Bürger schätzten seine
Person so hoch ein, dass er zur Erlangung der Freiheit die Burg
Horst versetzen musste, die sein Bruder wieder einlöste. Der
letzterer nur eine Tochter hatte, die mit Johann von der Reck auf
Haus Kemnade vermählt war, so übertrug er diesem den Besitz und zog
selbst 1462 auf die Spillenburgs-Mühle bei Steele. Aber schon 1483
verkaufte von der Reck Haus Horst an die Familie von Schüren. Diese
ente aus den Niederlanden, wo ihr Stammschloss, das an einem
Rheinarme lag, von den Fluten des Stromes verschlungen worden war.
Der bedeutendste aus diesem Geschlecht war Everd von Schüren, der um
1561 die Herrlichkeit horst besaß und in einer großen Anzahl
Urkunden, besonders des Stiftes Essen, vorkommt. 1640 verkauft hugo
von schüren zu Horst, der mit der erbtochter des Rittergutes
portendieck vermählt war, das in Kriegsläusten stark
heruntergekommene Haus Horst, von dem sich einzelne Höfe schon frei
gemacht hatten, an Alexander von Velen-Raesfeldt.
Dieser konnte das Gut aber auch nicht
halten, und er fand einen Käufer in Johann von Reede, der Burg Horst
1663 für 26 000 Taler erstanden. Aber schon 1674 wurde sie durch den
vormund der minderjährigen Kinder von Reede an Jobst Diedrich
Freiherr zu Wendt abgegeben, in dessen Familie Haus Horst noch heute
ist. Besitzerin ist die Freifrau von Wendt-Ansembourg.
Nach den Ruinen zu urteilen, muss die
Burg von beträchtlichem Umfang gewesen sein. Erhalten ist nur die
alte Kapelle, die einen neuen Dachreiter hat und als Wohnhaus dient.
Die Umfassungsmauern des Burghofs mit den Resten zweier Türme sind
noch zu sehen, dagegen sind die inneren Burghäuser verschwunden. Der
Baustil weißt auf das 14. Jahrhundert hin. Vor der Burg stand früher
uralte Gerichtseiche.
In den alten Urkunden wird Horst stets
eine "Hoch- und Herrlichkeit" genannt, womit ohne Zweifel die
besonderen Vorrechte, Freiheit von Reichssteuern und Schatzungen und
die Gerichtsbarkeit innerhalb eines gewissen Bezirkes ausgedrückt
werden sollen. Dieses "Halsgericht höherer und niederer
Jurisdiktion" finden wir nur bei reichsunmittelbaren Ständen und
Städten. Horst dörte zu den fünf freien Gerichten der Grafschaft
Mark, und die Berufung von hier an den Freistuhl zu Bochum. Über die
Ausübung des Gerichts erzählt man sich manche schaurige Geschichte.
In dem Keller der alten Burg befindet sich eine geheime tmTreppe,
die durch einen schweren Stein verschlossen ist. Sie führt zu einem
finsteren Gang, der sich unter der Ruhr hinzieht. Dort steht ein
mächtiger Hautklotz, an den ein altes, verrostetes Beil lehnt. Hier
haben früher Stuhlherr und Schöfimen der heiligen Feme ihres Amtes
gewaltet.
Etwas Wahres scheint an dieser
Geschichte zu sein. Landrichter Rautert aus Hattingen hat vor 100
Jahren den Stein heben lassen und darunter auch die Treppe gefunden,
die durch ein Gewölbe in die Tiefe führte. Als die Luft von außen
bis hierherdrang, mussten die weiteren Untersuchungen aufgegeben
werden, da das Gewölbe einstürzte. In Wirklichkeit wird dieser Gang
wohl die Bewohner in Zeiten der Not ins Freie gebracht haben.
Am Eingange der Burg Horst sieht man
einen einfachen Grabstein am Wege stehen, der die Worte trägt:
Anno 1707 zwischen dem 4 und 5 Mai in der Nacht zwischen 11 und 12
Uhr ist der ehr- und achtbare, der baukunst wohlerfahrene Meister
Conrad Fischer auf diesem Platz durch Reinhard Cop und seine
Mitcameraten jämmerlich ermordet worden.
Diese Inschrift hat Anlass zu folgender
Erzählung gegeben: Auf der Burg Horst lebte früher ein reicher und
mächtiger Herr. Er hielt eine große Dienerschaft. Unter den Mägden
war die hübsche Gertrud die fleißigste. Um ihre Gunst bewarben sich
viele Burschen. Sie aber liebte den jungen Pferdeknecht ihres Herrn
Reinhard Cop, den der Graf als kleines Bettlerkind von der Straße
mitgebracht hatte. Beide hofften, bald ein Paar zu werden. Aber
durch böse Kameraden verleitet, beteiligte sich Reinhard an
Diebereien seiner Freunde. Seiner Braut brachte er goldene Ringe
und Armbänder mit und schenkte ihr seidene Kleider und bunte
Tücher, an denen oft noch Blut klebte. Betroffen bat und beschwor
Gertrud ihren Geliebten, von seinem schlechten Tun zu lassen. Aber
vergebens. Eines Tages war dem Grafen eine mit Edelsteinen besetzte
goldene Zhr gestohlen. Reinhard kam in den Verdacht der Dieb zu
sein, und sein Schicksal voraussehend, flüchtete er. Bald traf er
seine Genossen und zog mit diesen raubend im Lande umher.
Lange Jahre trauerte Gertrud um ihn,
dann reichte sie einem braven Zimmermann die Hand zum Ehebunde. Wo
bewohnten in der Nähe des Schlosses ein Häuschen und lebten
glücklich und zufrieden. Als Gertrud eines Tages allein im Zimmer
saß, trat ein feiner Herr zu ihr herein. Erstaunt erkannte sie in
demselben Reinhard Cop. Dieser beschwor sie, mit ihm zu gehen, sie
solle ein sorgenfreies Leben haben. Aber Gertrud schrie um Hilfe. Es
eilten Knechte herbei, Reinhard wurde gefangen und ins Burgverlies
geworfen.
Da erschien Abend des zweiten Tages am
Schlosstor ein Bote, der einen Brief des Grafen von Hardenberg
überbringen wollte. Als man ihn öffnete, drangen 60 bewaffnete
Räuber aus dem Gebüsch, erschlugen den Wächter, drangen in die Burg
und befreiten den Gefangenen. Auf den Lärm war die Dienerschaft
hinzugekommen, und auch Konrad Fischer half, die Bande zu verjagen.
Als Reinhard Cop ihn erblickte, stürzte er auf ihn zu und erschoss
ihn mit seiner Pistole. Dann gelang es den Räubern sich
durchzuschlagen. Aber sie sind später doch vom Schicksal ereilt
worden und am Galgen gestorben.
Dem ermordeten Konrad Fischer ließ der
Graf einen Leichenstein setzen. Gertrud folgte ihrem Gatten bald im
Tode nach. In stillen, mondhellen Nächten aber sitzen beide auf dem
Leichenstein, und Gertrud wischt ihre Manne das Blut ab, das seinem
Herzen entquillt. Dann erscheint auch Reinhard Cop, in glühendes
Eisen gehüllt. Sobald er aber die beiden sieht, unter Rauch und
Schwefel in die Erde.
Von besonderem Interesse dürfte sein,
dass sich neben der Schlucht, die von dem Leichensteine hinab zum
Ufer der Ruhr führt, Reste altgermanischer Ringwälle finden, die
von beträchtlichem Umfange sind. Wir haben es eine sogenannten
"Fliehburg" des Brukterervolkes zu tun, die im Dickicht der Wälder
weniger zu Verteidigungszwecken als zur Unterkunft von Vieh in
Kriegszeiten angelegt worden war. Sie stammt vielleicht aus dem 5.
Oder 6. Jahrhundert. Der Platz ist heute unter dem Namen "Vryburg"
bekannt.
Dem Haus Horst gegenüber, und der Sage
nach mit ihm durch einen geheimen Gang verbunden, liegt die letzte
der märkischen Burgen an der Ruhr, die
Burg Altendorf.
Als die ersten Besitzer und zweifellos
auch Erbauer derselben erscheinen die von "Aldendorp", von denen
1166 ein Ritter Wenemar Zeuge in einer Urkunde bei der Schlichtung
des Zehntstreites der Bewohner dieser Gegend mit dem Kloster Maria
ad Gradus in Köln erscheint. Die Ritter von Altendorf waren ein
Zweig der uralten Stift Essen'schen Ministerialenfamilie von
Eickenscheidt bei Steele und mit den Herren von der Horst
blutsverwandt. Auch sie führen im Wappenschilde drei Pferdepramen,
die wir heute im Siegel der Gemeinde Altendorf sehen. Die Herren von
Altendorf waren ein ehrgeiziges Geschlecht und strebten nach Ruhm
und kriegerischen Taten. So finden wir sie unter den Dienstmannen
des Essener Hochstifts und im Gefolge der Grafen von der Mark, denen
sie treu ergeben sind. Wo die märkischen Grafen in Fehde sind, sei
es mit Köln oder Dortmund, immer treffen wir auch auf die
Altendorfer Ritter. Der bedeutendste aus dieser Familie war Adolf
von Altendorf, der auch an den Verhandlungen des Stiftes Essen mit
dem König Rudolf von Habsburg wegen der Besetzung der Vogtei
teilnimmt. Seinen Bemühungen ist es zum großen Teil zu verdanken,
dass das Stift 1282 den Grafen Eberhard von der Mark Vogt bekommt.
Zum Danke für den guten Abschluss der Verhandlungen erhält Adolf von
der Mark vom Könige eine jährliche Rente von zwei Mark "de summa
kuningscoph" (Königsschutz). Es war dies eine Abgabe, welche die
geistlichen Stifter an das Reich zahlten für den Schutz, den der
Kaiser ihnen als Schirmherr gegenüber den Anmaßungen mächtiger
Großen gewährte.
Im 14 Jahrhundert finden wir die Herren
von Altendorf in hohen Ehrenstellen bei dem Grafen von der Mark, als
Besitzer des Drostenamtes des Stiftes Essen und als Kanoniker der
Essener Münsterkirche und der hohen "Thurmkerke" zu Münster. Aber
dieses Hervortreten im öffentlichen Leben war auch in der damaligen
Zeit schon kostspielig, und die Edelinge von Altendorf gebrauchten,
um ihrer Stellung gemäß auftreten zu können, Geld und immer wieder
Geld. So mussten denn aus dem reichen Güterbesitz des Hauses nach
und nach kleinere und größere Höfe verkauft oder verpfändet werden.
1364 ging der Zehnte, den sie von den in der Umgegend liegenden
Gütern des Maria ad Gradus- Stiftes für kriegerischen Schutz erheben
durften, verloren; sechs verkaufte Wenemar von Altendorf das
Große-Hausmannsgut in Dumberg an Eberhard von der Leythe, der es
1378 an Heinrich von Vittinghoff weitergab; 1368 endlich versetzte
Goswin von Altendorf seine Güter in Dahlhausen an seinen Schwager
Arnold den Schelen, der auf Haus Vittinghoff bei Rellinghausen saß.
Dieser scheint den
verschuldeten Ritterbesitz, nachdem er die Geschwister seiner Frau
mit Geld abgefunden hatte, im Jahre 1383 übernommen zu haben, denn
wir finden jetzt dort die von Vittinghoff. Sie nennen sich Schell
von Altendorf und wohnen hier durch vier Generationen, immer treue
Freundschaft mit Reilinghausen haltend. Das "freiwelltliche
Damenstift" zu Reilinghausen wusste denn in "gräulichen"
Kriegsgefahren für seine wichtigen Urkunden keinen besseren
Unterbringungsort als auf dem festen Hause Altendorf, und auch die
Äbtissinnen des Essener Hochstifts weilten zur Sommerzeit in diesem
schönen Schlosse, wo sie mehrmals Hof hielten. Der bedeutendste
Vertreter der Herren von Altendorf war Christoffer von
Vittinghoff-Schell, der im Kriegsdienste es sogar bis zum General
bei Ihrer Römischen Majestät in Ungarn gebracht hat. Nach dem
Schlachtenlärm kehrte er reich an Ruhm und Ehre, aber auch an großer
Beute zurück, um auf dem Schlosse seiner Väter sein bewegtes Leben
zu beschließen. Er ließ es von Grund auf neu erbauen und hielt als
angesehener und weitbekannter Herr ein großes Haus. Er starb 1564
und hinterließ nur einen Sohn mit Namen Arnold.
Bekannt geworden durch
seine die Stiftsdamen zu Rellinghausen stark belastende Aussage über
die Hexenverfolgungen ...... "es seien in kurzen Jahren viele
Personen der Zauberei halber hingerichtet ... Die Jungfern wollten
etwas zu starke Justitie haben, was ein gefährlich Werk sei, daß sie
nicht verständen".... Als sein früherer Dienstmann, Johann Walney,
ihn beleidigt hatte, drang er kurzer Hand mit seinen Knechten in
dessen Hof, der zu Bredeney im Gebiete des Abtes von Werden lag, ein
und nahm Wallney gefangen mit zu seiner Burg. Auf das inständige
Bitten der Frau des Gefangenen "Alß seyn hochbetrübtes Weibßbildt
mit höchstem Herzeleitt" hörte er nicht, als der Abt ihm wegen
Raubüberfalls in sein Gebiet mit Klage drohte, ließ er sich bewegen,
den Wallney frei zu geben. Im Jahre 1606 starben Arnold von
Vittinghoff zu Altendorf und sein Sohn Melchior, womit dieses
Geschlecht erlosch.
Die Witwe Melchiors
ehelichte schon bald Wilhelm von Ketteler zu Nesselrode und brachte
diesem das schöne Schloss zu. In weiblicher Erbfolge kam Altendorf
dann als Heiratsgut an die von Mangelmann zu Lürich, von diesen 1650
an Bernhard Mumm von Schwarzenstein. Nachdem die Burg vorübergehend
an die von Lützelradt und später an die von Syberg verpfändet
gewesen war, erstanden in der zweiten Hälfte des 18 Jahrhundert die
Herren von Wendt zu Hardenberg, welche auch Haus Horst besaßen, die
dem Verfall zugehende Burg Altendorf. Nach und nach aber wurden die
zur Burg gehöringen Ländereien verkauft, die Burg selbst verfiel,
die Steine brauchte man zum Hausbau, und das wenige, was von dem
einst so stolzen Rittersitze übrig geblieben war, die Ruine und
acht Morgen Land, kaufte 1852 die Gemeinde Altendorf, welche daauf
eine Schule erbaute.
Die Ruine Altendorf
lässt recht gut einen Schluss auf die ganze Burganlage zu. Die
Ringmauern sind deutlich erkennbar. Der trutzig dreinschauende
Bergfried von quadratischer Gestalt, aus schweren
Ruhrkohlensandsteinen in vier Geschossen aufgebaut, im Innern neben
einer Kaminanlage mit Rauchabzug, Fensternischen, Rippenbögen und
einen hübsch gemauerten Treppenaufgang. Er diente zu Wohnzwecken und
hatte zur Verteidigung eine Mauerwehr. Gespräch und Efeu gaben ihm
ein romantisches Aussehen. Etwas abseits erblickt die Überreste der
Vorburg mit lisenenartigen Gliederungen im oberen Geschoss, einem
runden Eckturme und schweren Kellergewölben. Das Einfahrtstor zeigt
Reste von Schießscharten, ebenso deutet der gut erkennbare, wenn
auch jetzt zugeschüttete Graben auf die kriegerische Bereitschaft
der Burg.
Über die Burg Altendorf
und deren Umgebung sind im Munde der ortsansässigen Bevölkerung eine
Anzahl Sagen vorhanden, von welchen der Dichter Müller von
Königswinter einige in Reime gebracht hat. Er hatte den Stoff dazu
von seinem Freunde, dem Maler Mintrop, erhalten, dessen Vater aus
Altendorf stammte. So befand sich in dem erwähnten, unter der Ruhr
zur Burg Horst führenden Gange die sogenannte "eiserne Jungfrau". Es
war dies das Bild einer schönen Jungfrau, das auf einer Falltür
stand, die einen tiefen Brunnenschacht abschloß. Wer sich bei
Burgherrn unbeliebt gemacht hatte, erhielt von diesem eine
dringende Einladung, ihn zu besuchen. Leistete er Folge, so wurde
ihm bedeutet, dass er das Schloss nur nach dem " Jungfernkuss"
verlassen dürfe. Aber dann öffnete sich die Falltür und der
Unglückliche für immer. Auch der Besitzer eines schönen Hofes, nach
dem der Ritter von Altendorf die Hand ausstreckte, hatte eine solche
Einladung erhalten. Der Förster, der ihm dieselbe nacht hatte,
sagte, ehe er ging:"Schlüter! Schlüter!" Dieser verstand die
Warnung, flüchtete und hielt sich verborgen, bis der Schlossherr
gestorben war. - In kurzer Entfernung von der Burg vernahm man
früheren Jahren oft dass Läuten eines Glöckleins, was Veranlassung
gegeben hat, auf diesem Grundstück die katholische Kirche zu
errichten. - An einem waldigen Anhange nach Niederwenigern erblickt
man sieben für "Hünengräber" gehaltene Erdaufschüttungen, unter
denen ein König mit sechs Getreuen schlummern soll.
"Und wenn der Wind
durch die Wipfel saust,
Vernimmst du ein seltsames Klingen,
Wie Schildesprallen, wie Schwerterschlag
So hörst du die Wächter singen."
Im "Dörnken" aber wohnte
der gute Zwerg Fickfack, der gern den Menschen half, wenn sie ihn
darum baten. Am folgenden Morgen lag dann die Gabe vor der
Bergspalte, in welcher der Kleine wohnte. Nie blieb eine Bitte
unerfüllt, für eine Kindtaufe brachte er die Windeln, den Frauen und
Mädchen schenkte er Spinnräder, dem Bauer schaffte er
Pferdegeschirre und hämmerte zerbrochene Pflüge wieder zurecht,
Kindern brachte er Spielzeug mannigfaltiger Art und die Familien
versorgte er mit Kleidung und Schuhen. Da wollten sich die
Altendorfer ihrem Wohltäter dankbar erweisen und im festlichen Zuge
zogen sie zu den Berge und legten ein schönes Samtkleid für Fickfack
dorthin. Aber dieser, er freut über das prächtige Kleidungsstück,
wollte nun nicht mehr die Arbeit die Menschen tun, und wie diese
auch baten, der Zwerg blieb taub für sie. Was man auch an die
Bergspalte legte, der Zwerg arbeitete nicht mehr. Die Dörfler nun
vor den Berg zogen und fragten, warum Meister Fickfack ihnen nicht
mehr helfen wolle, da rief er: " Die Arbeit ist aus; denn ich bin
jetzt ein Junker!"
Die Ruhr fließt weiter
durch das breite Tal, welches von Anreicherungsgräben zur
Wasserversorgung für das nördliche Industriegebiet durchzogen ist.
Im Grunde der Ruhrweiden liegt ein geräumiger Gutshof. In früherer
Zeit stand hier die Wasserburg Holtey, deren Besitzer gefürchtete
Raubritter waren. Besonders hatten sie es auf das naheliegende Stift
Essen abgesehen, dessen hmHöfe sie heimsuchten. Schon 1316 hatte
Papst Johann XXII. Den Abt von Werden angewiesen, der Äbtissin
beizustehen, und im folgenden Jahre hatte Papst Klemens V. den
Ritter Theodor von Holtey mit seinem Sohn wegen dieser Überfälle in
den Bann getan. Des half; denn wir hören seit dieser Zeit nichts
mehr von dem "Raubritter" Holtey. 1319 verpflichtete er sich mit
seinen Brüdern, keinen Straßenraub mehr auf die Stammburg Horst zu
bringen. Mit seinem Sohne, der wahrscheinlich sein Besitztum dem
Kloster werden vermachte, starb das Geschlecht aus. In der Folge
erscheint Holtey im Lehensverzeichnis dieses Klosters und kommt 1481
an "Johann Schell, selbst. Arndt Schelen Sohn tho Aldendorp." Die
von Altendorf hatten auf dem Gute einen Pächter. Als dann in der
napleonischen Zeit die Höfe sich loskauften, kam Holtey in den
freien Besitz des Aufsitzers.
Von den Weiden in der
Holtey geht eine Spukgeschichte. Ein Schäfer kehrte spät abends von
einer Festlichkeit nach dem Hofe zurück. Als er durch die Ruhrwiesen
geht, hüpft ein kleines Flämmchen vor ihm her und versperrt ihm an
einem Bahnübergang den Weg. Der Schäfer, ein wenig erschreckt, macht
das Zeichen des heiligen Kreuzes. Da hört er ein Stimmchen bittend
flehen: " oh Taufe mich, ich bin das Kind einer Magd, die mich
ungetauft getötet hat!" mitleidig greift der Schäfer in das klare
Wasser des Baches und tauft das Kind, dann zum Himmel schwebte und
als heller Stern herableuchtet. Während aber der Mann noch voller
Staunen da steht, und gibt ihm eine Menge anderer Flämmchen, die
alle nach der Taufe verlangen. Er willfahrt ihren Bitten, bis der
Morgen graut und alle zu Sternen geworden sind. Seitdem ist der Spuk
dort verschwunden.
Unterhalb Holtey stellt
sich der Ruhr die hohe, steile Felswand des Kevelohbergs hemmend in
den Weg und zwingt den Fluss zu einer großen Biegung. Von diesem
Berge erzählt man folgende Geschichte: Als der Kevelohbauer sich des
Sonntags zur Kirche begeben hatte, drangen plötzlich Hunderte von
Zwergen in sein Haus, wo die junge Frau an der Wiege kleinen
Töchterchens saß. Sie schleppten die Frau aus dem Haus in die
Schluchten und Höhlen des Berges hinein. Plötzlich sah sie sich in
einem weiten, hellerleuchteten Saale. Dort stand der Zwergenkönig
weinend der Bahre seiner Gattin. Er bat und beschwor die junge Frau,
an seinem Kinde Mutterstelle zu vertreten; er wollte es ihr
reichlich lohnen. Lange sträubte sich diese; endlich aber gab sie
den dringenden Bitten nach. Sieben lange Jahre ersetzte sie dem
Zwergenprinzen die Mutter und drängte das Weh zurück, das sie nach
dem eigenen Kinde zog. Da gab man sie frei und führte sie auf die
Oberwelt zurück. Aber als sie ihr altes Heim betrat, da schaltete
und wartete im Hause längst eine andere Frau, und keiner der
Ihrigen er kannte sie wieder; nur der treue Karo sprang zu ihr
hinauf. Erstaunt hörte das ganze Dorf die Geschichte von dem
Aufenthalt bei den Zwergen. Nur noch zwei Monate lebte sie; dann
bettete man sie in die Erde zur ewigen Ruhe. |