
Unser Fluss verlässt
die Provinz Westfalen und tritt bei der alten
Stadt Steele
in das schöne Rheinland
ein. Die Gegend war schon in karolingischer Zeit Reichsgut und kam
als solches mit dem Aufsteigen der sächsischen Liudolfinger auf den
deutschen Kaiserthron in deren Besitz. Der bedeutendste Hof war
Eickenscheidt, zu dem nicht weniger 113 Unterhöfe gehörten. Auf dem
Grunde des Hofes erbaute man in bevorzugter Lage an der Ruhr, an
steilabfallendem Gelände, in unmittelbarer Nähe des Hellwegs, der
uralten Heer- und Handelsstraße zwischen Rhein und Weser, eine Burg.
Dieselbe spielte schon früh in der Geschichte eine Rolle. In den
Maitagen des Jahres 938 hielt nämlich der Kaiser Otto I. in seiner
Pfalz "Stela" einen allgemeinen Reichstag ab. Auf demselben sollte
der Streit mit seinem Bruder Thankmar und anderen Großen, welche die
Fahne der Empörung entfaltet hatten, beigelegt werden. Aber diese
erschienen nicht, weshalb der Kampf weiterging. Im Verlaufe
desselben wurde Thankmar im folgenden Jahre in der Kirche zu
Marsberg getötet.
Aber noch in anderer
Beziehung wurde dieser Reichstag bedeutungsvoll. Im Reiche gingen
nämlich die Ansichten rüber auseinander, ob beim Tode eines
Erblassers neben den Söhnen auch die Enkel ein Erbrecht hätten. Das
deutsche Recht hatte die entfernteren Glieder einer Familie, solange
nähere am Leben waren, vom Erbe ausgeschlossen. Im Laufe der Zeit
aber hatte eine humanere Auffassung sich durchgesetzt. Otto legte
die Frage den versammelten Fürsten vor. Da diese sich aber darüber
nicht einigen konnten, sollte ein Gottesgericht entscheiden. In
einem Zweikampfe siegte die Partei, welche das Erbrecht der Enkel
vertrat. Dieses "ius repraesentationis" wie es genannt wurde, wurde
noch oft, zuletzt auf dem Reichstag zu Worms 1521 bestätigt.
Aus dieser Pfalz Stele
entwickelte sich bald, begünstigt durch die gute Lage, ein kleiner
Ort der mit einer Mauer umgeben auch den Landleuten der Umgegend in
kriegerischen Zeiten Schutz bot. Um 1450 erhielt Steele Stadtrechte.
Ein eigenes Wappen - ineinandergeschlungene schwarze Ringe in gelbem
Felde - wurde der Stadt Jahre 1587 durch die Fürstäbtissin von Essen
verliehen. Die Bewohner erfreuten sich der besonderen Gunst ihrer
Fürstinnen. Die Steeler Schützen bildeten ihre Leibgarde bei
feierlichen Prozessionen und hatten den Ehrendienst zu versehen,
wenn hohe geistliche oder weltliche Herren das Stift Essen
besuchten. Zeitweise haben die Äbtissinnen die in ständigen
Streitigkeiten mit der Stadt Essen lagen, in Steele residiert. Die
Fürstin Franziska Christina, eine Pfalzgräfin bei Rhein, ließ um die
Mitte des 18. Jahrhunderts hier das noch heute bestehende große
Waisenhaus bauen.
Das 16 Jahrhundert war
für Steele eine Zeit großer Blüte und gesteigerten Wohlstandes.
Besonders das Schmiedehandwerk spielte eine Rolle, und unter den
verschiedenen Zweigen desselben brachte besonders die
Gewehrfabrikation Wohlstand nach Steele. Neben der Schmiedegilde
bestanden die Wullenweberzunft und die Schusterzunft. In diese Jahre
wirtschaftlichen Aufschwunges fielen auch trübe Zeiten. 1548 brach
ein gewaltiges Feuer aus, das von 105 Häusern 50 in Asche legte.
Dann folgten böse Kriegszeiten. Im Niederländisch-Spanischen Kriege
kamen spanische Söldner wiederholt nach hier. Sie erstürmten 1586
das befestigte Steele plünderten dieses die Umgegend völlig aus.
Ebenso schlimm hausten im 30-jährigen Kriege, hessische,
brandenburgische, schwedische, französische und kaiserliche Truppen,
die den Hellweg als Heerstraße benutzten. Dann folgten die
französischen Raubkriege. Im Herbst 1673 weilte der Marshall Turenne
hier und ließ die Stadt ausrauben. Im siebenjährigen Kriege
wiederholte sich das Elend. Steele war so verarmt, das nachdem 1762
die Bürger in 13 Schatzungen ihr gesamtes Geld hergegeben hatten,
die Fürstin 255 Reichsthaler zuschießen und 2 Jahre später der Stadt
ein Kapital von 6250 Reichsthalern leihen musste, um aus der größten
Not herauszukommen. Erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhundert
erholte sich die Stadt langsam. Dazu trugen hauptsächlich der sich
ausbreitende Bergbau und die sich kräftig entwickelnde Eisen- und
Glasindustrie bei.
Mit Steele
wirtschaftlich verbunden ist Königssteele. Bis zum 13. Jahrhundert
zum Hochstift Essen gehörig, sind in den Isenberg'schen Wirren die
alten Bauernrschaften in Steelerberg, Freisenbruch, Horst und Eiberg
davon losgerissen und zur Grafschaft Mark gekommen. Zu Anfang des
18. Jahrhunderts taucht dafür der Name Königssteele auf, weil die
Bauerschaften zum Königreiche Preußen gehörten. Steele bleibt Stift
Essendisch. Bis in unsere Zeit hinein haben beide Gemeinden in
konfessioneller Beziehung eine Einheit gebildet, und auch die
wirtschaftlichen und sozialenVerhältnisse waren dieselben. Wenn
nicht längst die Wiedervereinigung beider Gemeinden geschehen
konnte, so trug eben die Verlegung der Landesgrenze daran zum großen
Teile die Schuld. Endlich sind alle Hindernisse beseitigt, und
Steele-Königssteele werden wieder zusammen gehören. Die Stadt Steele
zählt dann 34734 Einwohner. |