DIE LAMBERTUSKIRCHE ZU DÜSSELDORF

Rheinische Kunststätten - Reihe XV – Der rechte Niederrhein – Nr. 5

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1, St. Lambertus zu Düsseldorf.

Lage. Ein wenig versteckt im Straßengewirr der Altsladt, abseits von den großen Durchgangsstraßen des jetzigen Düsseldorf, liegt die Lambertuskirche. Der Wanderer wird ihrer erst gewahr, wenn er unmittelbar vor ihr steht, denn rings ist sie umgeben von nahe an sie herantretenden Häusern, und kein Straßenzug gibt in direkter Zuführung den Blick auf sie frei. Anders bietet sich ihr Bild dem auf dem Rhein sich Nähernden dar. Hier hebt sich aus der flach gelagerten Uferfront die schlanke, spitzig-kecke Silhouette des windschiefen Turmes aus dem kleinen Häusergewimmel charakteristisch heraus — als Wahrzeichen der Stadt (Bild 1).

2. Rekonstruktionsversuch der Lambertuskirche vor der letzten Erweiterung vor Ende des 14. Jahrhunderts

3. Grundriß der Lambertuskirche

Baugeschichte. Schon im 11.112. Jahrhundert stand hier ein romanisches Gotteshaus. Es glich, wenn auch größer, den querschifflosen romanischen Kirchen, Wie sie in Bilk, Himmelgeist und Wittlaer mit Westturm, Mittelschiff und schmalen Seitenschiffen, flacher Decke noch erhalten sind. Sein einstiger Grundriß, dunkel getönt, in Bild 3. — Nach der siegreichen Schlacht bei Worringen im Jahre 1288 erhob Gräf Adolf von Berg den kleinen Ort Dusseldorp zur Stadt und zugleich deren bisherige Pfarr- zur Stiftskirche St. Lamberti. Bald darauf wurde die bauliche Erweiterung des Gotteshauses mit Errichtung des heutigen Westturmes in Angriff genommen (Bild 1). Als dieser bis zum 3. Stockwerk fertig war, wurde anschließend zu Beginn des 14. Jahrhunderts an Stelle des alten romanischen Turmes das erste (West-) Joch der nunmehr im gotischen Stil geplanten Neubaukirche errichtet (I im Bild 3). Das für den Gottesdienst auch weiterhin in Benutzung bleibende romanische Kirchenschiff blieb hierdurch unberührt. Auch der neue gotische Chor im Osten der alten Kirche wurde in größerem Abstand um den romanischen Chor herumgebaut. Erst als der neue Chor, um 1350, vollendet war, konnte der altc abgebrochen werden. Um diese Zeit bot sich also das Bild der Kirche folgendermaßen dar: der neue Turm führte in das gotische Westjoch (I in Bild 3), und dieses unmittelbar in den alten, romanischen Kirchenraum (Bild 2). Dieser wieder öffnete sich nach Osten in den geräumigen Chor gotischen Stiles. Auf der Südseite hatte dieser Chor einen schlichten Eingang (Bild 2), der noch heute (bei g im Grundriß, Bild 3) erkennbar ist. Die Wand des heutigen Innenchores war also damals frei stehende Außentnauer. Nachdem Graf Wilhelm (1360—1408) i. J. 1380 in den Herzogstand erhoben war, nahm er zugleich mit der Einrichtung 10 neuer Kanonikate (Stiftsherrnämter) eine Vergrößerung der Kirche um fast das Dreifache vor. In gleicher Breite und Höhe wie das Mittelschiff wurden jetzt die Seitenschiffe errichtet, und diese um den erst kurz zuvor gebauten gotischen Chor herumgeführt, der nun also zum inneren Chorraum wurde und sein Licht von den Fenstern des Chorumganges erhielt (Bild 4, 5).

4. Blick in den nördlichen Chorumgang

5. Blick auf den Chor

Bild Die romanische Kirche wurde vollends abgerissen, an ihrer Stelle entstanden die weiteren Joche (II, III in Bild 3) des gotischen Mittelschiffes. Die Fensteröffnungen des einstigen Chores wurden tiefer nach unten gezogen und wirken nun wie Pfeilerarkaden zwischen Chor und Umgang (Bild 4, 5). Was jetzt hinter dem (Chorgestühl als Chorschranke stehengeblieben ist, war somit früher die Außenwand des Chores- Cm wurde dann die 2geschossige Sakristei ander Südseite errichtet (Bild 3). Da der Herzog zahlreiche kostbare Reliquien erworben und Düsseldorf in den Wallfahrtsweg nach Trier, Köln, Aachen usw. einbezogen hatte, mußte zur Zeigung der Reliquien über dem Ostdach der Sakristei ein Balkon ausgebaut werden, der noch heute sichtbar ist. Damit hatte die Kirche im wesentlichen ihre heutige Gestalt erhalten. — Das Kircheninnere aber hat in den späteren Jahrhunderten manchen Wandel erfahren. Bei der 1634 erfolgten Explosion des städt. Pulverturmes nahm nicht nur das Mauerwerk schweren Schaden, auch die alten Glasfenster, ein Teil der Altäre und der Wandgemälde wurden zerstört. Um 1700 erhielt die Kirche den Hochaltar, die Kanzel und die 4 Barockaltäre im Umgang (Bild 4, 5). Als infolge der Säkularisation 1803 die Stiftskirche wieder zur Pfarrkirche wurde, erfuhr die Innenausstattung durch Beseitigung altehrwürdiger Altäre, der den Fußboden bedeckenden Grabsteine und durch andere Maßnahmen viele ungünstige Veränderungen.

Außenbau. Breit hingelagert, füllt die Kirche einen großen Teil des bis ins 18. Jahrhundert hinein . als Friedhof dienenden Stiftsplatzes aus. Die niedrigen Häuser ringsum bieten wirkungsvollen Höhenmaßstab (Bild 1). Der in Tuff aufgeführte, in 5 Stockwerke gegliederte Turm ist dem gleich breiten Mittelschiff vorgelagert (Bild 3), Seine Ecken sind mit Hausteinquadern verklammert. Über dem im Rundbogen geschlossenen Portal mit horizontalem Sturz öffnet sich ein großes spitzbogiges, mit dreifach gegliedertem Maßwerk versehenes Fenster. Die 2 folgenden Geschosse zeigen je 3 einfache rundhogige Blenden, während das oberste Stockwerk auf jeder Seile mil 2 durch eine Säule unterteilten spitzbogigen Schallöffnungen versehen ist. Darüber ragt die überaus schlanke, achtseitige Turnhaube auf, vor ihrem Auslauf sich aufsplitternd in 8 schmale Giebelchen. Über jeder Ecke vermittelt ein zierliches, schieferverkleidetes Türmchen den Übergang vom Turm zum Turmhelm, links und rechts von der Turmrückwand die beiden Giebel der Seitenschiffe, deren frühere Portale jetzt vermauert (Bild I). In jedem Giebel je. ein großes Fenster. Im Winkel zwischen Turm und . südlichem Seitenschiff das Treppenhaus zum Turm (Bild 3). Die Außenwand der Kirche besteht aus Backsteinen, dessen ernste Wirkung durch die Schmucklosigkeit des Äußeren der Kirche unterstrichen wird. Einfachste Gliederung der Seitenschiffe durch zweifach abgetreppte Strebepfeiler und durch das unter den Fenstern verlaufende Gesims. Schlichte vertikale Aufteilung der Fenster, Auf der Südseite eine stärkere Belebung durch den vorspringenden Sakristeibau mit seinen 2 Fenstergeschossen, dem zierlichen Dachreiterchen und der unter dem Dach hervortretenden Empore im Osten:— In stumpfer Schwerfälligkeit führt der dreiseitig gebrochene Ost abschluß die ungemeine Breitenausdehnung des massigen Baukörpers vor Augen. Hier vereinen sich alle 3 Dächer zur gemeinsamen Front.

Innenbau. Die Vorhalle des Turmes mit dem gedrückten Kreuzgewölbe steht in wirkungsvollem Kontrast zu den frei und breit sich wölbenden Jochen des Mittelschiffes, das sich nach links und rechts mit den Seitenschiffen zu mächtiger Hallenwirkung entwickelt (Bild 4, ö)- Mittelschiff und Chor haben keine eigenen Fenster, daher das dämmerige, feierliche Dunkel. 7 Pfeilerpaare führen in groß gemessenen Abständen zum Hochaltar hinan, den Raum in wohltuender Gliederung aufteilend. Die achtseitigen Pfeiler nehmen die einfach profilierten Gurte und die hohlgekehlten Gewölberippen auf. Die „Pfeiler" des Chores sind -schmal und rechteckig gebildet, da sie, wie oben dargelegt, Teile einer früheren Fensterwand darstellen. In seiner ganzen breitgelagerten Mächtigkeit wird das Raumbild besonders wirksam am Beginn des Chorumganges (Bild 4). Erst hier erkennt man, welch eine Kühnheit in dem Gedanken lag, das Seitenschiff in seiner vollen Breite um den Chor herumzuführen. Die Gedrücktheit der in die Breite entwickelten Proportionen wird als ernstes Stimmungselement empfunden.

6. Sakramentshäuschen

Ausstattung. Sitzbild der Muttergottes, 1, Hälfte 14. Jh.; ausgeschwungene Haltung, weiches, rundes Gesicht, kleiner Mund, wie von innen heraus leuchtende Augen verraten kölnische Herkunft. Vesperbild (Muttergottes mit. dem Leichnam Christi), 2. Hälfte 15. Jh., jetzt auf dem Kriegeraltar. — Chorgest ühl, Ende 15. Jh., nur bis zur Höhe der Armlehnen in altem Zustand, mit zahlreichen drastischen Schnitzbildern unter den Sitzen. — Sakramentshäuschen (Bild 6 und 4), einzigartiges Meisterwerk der Spätgotik mit dem Wappen HerzogWilhelms IV. (1475—1511). Auf hohem Sockel der schlanke, bis ins Gewölbe reichende, zu prächtiger Wirkung entwickelte Baldachin, gestiftet von Zollschreiber Cluntz (Wappenschild mit Hausmarke). — Von demselben gestiftet (Hausmarke am Sockel) die reckenhalte Figur des hl. Christophorus mit muskulösen Gliedmaßen, riesigem, faltendurchfurchtem Haupt und wallendem Bart, schwerem aufgewühltem Gewand.  Kalvarienberg vor der Kirche, ursprünglich spätgotische Arbeit, 1887 und 1930 durch Kopien neuhergestellt.    Grabmal der Elisabeth v. Waldeck († 1388), hervorragende figürliche Arbeit der Zeit; die lateinische Inschrift bezieht sich auf zeitweilige Verwendung als Altarsockel.  Zahlreiche gotische Wandgemälde; das bedeutendste (durch Restauration beeinträchtigt) das lebensgroße Bild der thronenden Muttergottes neben der Sakristeitür, 2. Hälfte 15. .Jh. (Bild 8); feiner lyrischer Stirnrnungsgehalt, Anmut und Schönheit der Gestalten weisen auf Einfluß Stephan Lochners. Über dem Eingang zum südlichen Seitenschiff die Darstellung der hl. Kümmernis, nach der Legende die Tochter eines heidnischen Königs. die ewige Jungfräulichkeit gelobt und Gott um körperliche Entstellung gebeten habe, um der Verlobung mit einem heidnischen Prinzen zu entgehen; nachdem sie männliche Gestalt und einen Bart erhalten, habe der Vater sic kreuzigen lassen. Mit dieser Legende verbindet sich, wie das Bild zeigt, die des Geigers. — Grabmal HerzogWi1he1ms des Reichen, 1599 vom Kölner Bildhauer Gerhard Scheben fertiggestellt (Bild 7), eine der beachtlichsten Schöpfungen deutscher Hoeltrenaissance ; architektonischer Aufbau in schwarzem Marmor, Säulen in rotem, Figureu in weißem Marmor; an den Treppenstufen Löwen mit den herzoglichen Ahnenwappen ; auf dem Sarkophag, wie in Nachdenken versunken, die Figur des Herzogs; im Mittelteil Grabinschrift, darüber das jülich-klevisch-bergische Wappen; oberes Relief das Jüngste Gericht. Apollinarisschrein in der Rückwand des Hochaltars, mit Sitz figur des Heiligen, gestiftet von Herzog Philipp Wilhelm (1053—90). - Hochaltar, Ende 17. Jh., auf hohen Basen je drei mächtige gewundene Säulen, darüber ein im Halbrund überhöhter Architrav, auf welchem vier Engel die Baldachinkrone halten (Bild 5) Links vom Hochaltar die Figuren der hl. Lambertus und Apollinaris, rechts der hl. Thomas und Pankratius. Um 1700 ferner vier Altäre im Chorurugang (Bild 4) und die mit schönen Medaillons versehene Kanzel (Bild 5). Die schön geschnitzten Mittelschiffsbänke, die beiden Rosenkranzbilder (aus der früheren Kreuzherrenkirche) über dem Kriegeraltar, die Figuren Christi, der h1. Barbara und Nepomuk aus dem 18. Jh. Altarvorsatz, gemalt und gestiftet 1843 von Andreas Achenbach. — Kriegeraltar im südlichen Seitenschiff, darüber Namentafel der im Weltkrieg gefallenen Gemeindemitglieder.

7. Grabmal des Herzogs Wilhelm des Reichen.

Kirchenschatz. Kopfreliquiar aus vergoldetem Kupfer, 12. Jh.; trotz der strengen Stilisierung in der Kunstsprache der Zeit überzeugend durch lebensvolle Wirkung. — Großes Ostensorium , Mitte 15. Jh., mit jülich-bergischem Wappen. Von zierlicher Köstlichkeit das kleine Silber-Ostensorium, um 1500; mit Figuren der hl. Maria und Joseph. Die „Schweden-Monstranz", um 1500, kunstvoll und prächtig, stammt aus dem Besitz Gustav Adolfs, der sie aus Böhmen mitführte.-— Zwei Sonnenmonstranzen, Mitte 18. .Jh. Buchdeckel aus vergoldetem Silber getrieben, mit Darstellung der Krönung Mariä, edle Arbeit, 15. Jh. — Der Abtstab, 16. Jh., stammt aus der Abtei Altenberg; die Windung mit den Figuren der Madonna und des hl. Bernhard laut Inschrift erst 1723 hinzugefügt. Die Prachtkasel mit Darstellungen aus dem Marienleben gehört zu den größten Meisterwerken der niederrheinischen Nadelmalerei; die dazu gehörenden Dalmatiken mit Hochstickerei tragen das Wappen des Stifters: Herzog Gerhard (1437—1475).

Literatur : Paul Clemen „Kunstdenkmäler d. Stadt u. d. Kreises Düsseldorf" (1894).
Oskar Karpa, „Die Stifts- und Pfarrkirche St. Lambertus zu Düsseldorf" (Schr. d. Histor. Mus. u. d. Archivs der Stadt Düsseldorf, Heft 4, Düsseldorf 1932)

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