KORNELIMÜNSTER

Rhein. Kunststätten Reihe I: Aachen und das Jülicher Land - Nr. 3

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Lage. In einer bogenförmigen Ausweitung des Indetales, eingesenkt in die Bodenwellen, welche die Eifel nach Norden ausschwingen, 10 km südlich der alten Kaiserstadt Aachen, liegt die ehemalige Reichsabtei Kornelimünster (Bild 1). Am Indelauf hingezogen, umkränzt. das altertümliche Städtchen gleichen Namens Kirche und Kloster der Abtei, die Keim und Kern des Ortsbildes wurde. Von der Höhe des rechten Indeufers schaut die alte Pfarrkirche herab, durch eine Umfassungsmauer fest in das Landschaftsbild eingebunden (Bild 1). Ein Anblick von eigenartigem Reiz bietet sich dem, der auf der von Aachen kommend von der Höhe herab ins Tal steigt. Die Geschichte. der ganzen Landschaft, deren Beherrscher und Beschützer die Abtei war, spricht aus diesem Gesamtbild, das in seiner Geschlossenheit erhalten blieb wie nur wenige geschichtlich denkwürdige Stätten Westdeutschlands.

Die Römersiedlung. Die Geschichte des Städtchens ist die Geschichte der Abtei. Die freigelegte Römersiedlung auf der Höhe des rechten Uferhanges bleibt in der Geschichte der Landschaft nur Vorspiel. Hier stieß die von Jülich kommende Heerstraße auf die wichtige Verbindung Köln— Düren—Dinant. Ein Tempel hat die Stelle geheiligt. Ausgrabungen ergaben die Grundmauern der Anlage und den inschriftlich überlieferten Namen Varnenum, der auf eine Gottheit Varneno hinweist. Gründung und Ausbau stammen aus dem 2. Jahrhundert n. Chr.. Am Ende der Römerzeit verfällt die Siedlung; bei der Neugründung des 9. Jh. ist nicht einmal, mehr eine Erinnerung an die Römerzeit erhalten.

1. Luftaufnahme. Im Mittelpunkt ehem. Abtei Abteikirche mit Korneliuskapelle (vgl. Bild 2).
Rechts oben die alte Pfarrkirche (vgl. Bild 2

2.  Korneliuskapelle (vgl. Bild 1). — Auf der Anhöhe alte Pfarrkirche (vgl. Bild 1)

3. Propsteikirche. Blick in die südlichen Seitenschiffe

Die Abteikirche, heutige Pfarrkirche, gehört. zu den geschichtlich bedeutsamen Bauwerken Westdeutschlands (Bild 1). Eine vielgestaltige Baugeschichte führt die Kirche durch den Wechsel von neun Jahrhunderten. In den großen Stilwandlungen spiegelt sich hier die Geschichte der Landschaft. Die reiche Innenausstattung ergänzt das kunstgeschichtliche Gesamtbild. Die Gründung des Klosters erfolgt 814 durch Benedikt von Anian. 817 Einweihung der Kirche im Beisein Ludwigs des Frommen, der Stiftung reich beschenkt. Das Wohlwollen der Kaiser fördert die rasche Entwicklung auch in der Folgezeit. Doch schon im Jahre 881 zerstören die Normannen Kirche und Kloster.

4. Propsteikirche. Nördliches Seitenschiff.

Auf den alten Grundmauern entsteht eine neue dreischiffige. Basilika, welche in den Kämpfen mit der freien Reichsstadt Aachen 1310 zerstört wird. In den folgenden Jahrzehnten entsteht der gotische Neubau. Die Maßverhältnisse der älteren Anlage werden für das Mittelschiff beibehalten. Der Zustrom der Pilger, die zur Verehrung der Heiligtümer herbeieilen, fordert Erweiterung des Kirchenraumes. Das Mittelschiff wird verlängert und zu dem heutigen Chorabschluß gebracht; um 1470 werden die beiden Südschiffe angebaut (Bild 3); der Westbau, ein Rest des alten Atriums, wird eingewölbt. Die nächste wesentliche Erweiterung erfährt die Kirche. um 1520, als Abt Heinrich von Binsfeld die hohen Nordschiffe anbauen läßt (Bild 4). Eine letzte Erweiterung erfolgt im Jahre 1708 durch die Korneliuskapelle, welche dem Baukörper ohne Raumverbindung im Osten angefügt wird (Bild 2). — So entstand die Kirche aus unterschiedlichem Stil- und Raumempfinden als fünfschiffige Anlage. Die aus dem alten Bau übernommenen starken Pfeilermassive setzen das Mittelschiff, das ohne eigenes Licht bleibt, gegen die Seitenschiffe ab. Einzig der zu den Nordschiffen durchbrochene Obergaden gibt dem halbdunkeln Mittelschiff indirektes Licht (Bild 3 u. 4). Die. Seitenschiffe wiederum, in sich Einheiten von größerer stilistischer Klarheit als das Hauptschiff, bilden selbständige Bauteile, die zum Mittelschiff keine Raumbeziehung finden. Besonders in den Nordschiffen kommt die feingliedrige Klarheit spätgotischer Anlage zu reinem Klang (Bild 4). - Die Ausstattung der Kirche zeigt in ihren wesentlichen Teilen aufschlußreiche Originalstücke verschiedener Stilabschnitte. Das Mittelschiff wird beherrscht durch den zweigeschossigen barocken Hauptaltar mit der Kreuzabnahme und der Erscheinung des Auferstandenen von dem Rubensschüler Gerhard Douffet (1594 bis 1660). Der Aachener Baumeister Joh. Jos. Couven (1701- 1763) hat dem Altar ein Tabernakel im Rokokostil vorgesetzt.

5. Propsteikirche. Korneliusstatus im Chor.

Gleichzeitig hat er das Chorinnere durch die geknickt ausladenden Altarstufen, welchen die Bewegung der reichgeschnitzten Kommunionbank folgt, sowie durch die vasengekrönten, geschweiften Türfassungen (Bild 5) als einheitlichen, kraftvollen Akzent für den gesamten Kirchenraum zusammengefaßt. Dieser Anlage entspricht das starkbewegte Orgelgehäuse im gleichen Stil (heute leider durch die Rückverlegung der Empore in seinen eigenen Schatten gegen das Westfenster gerückt). Der nördliche Seitenaltar zeigt in 1,88 m hohem, weiß bemaltem Holzrelief Christus am Ölberg, eine Arbeit aus dem niederländischen Formenkreis des 17. Jh. Im südlichen Seitenschiff der dreiteilige Annaaltar mit Kreuzigungsszene im Aufbau, eine bedeutsame rheinische Schnitzarbeit des frühen 16. Jh. (Bemalung neu). Das guterhaltene Chorgestühl aus der 1. Hälfte des 14. Jh. steht heute auf der Empore und in der Taufkapelle des Westwerks. Dort auch der schöne gotische Taufstein, der in seiner veralterten Gesamtform auf die romanischen Typen verweist. — Von besonderer Bedeutung sind die freiplastischen Einzelskulpturen: die Statue des Kirchenpatrons, des heiligen Benediktinerpapstes Kornelius, an der Nordwand des Chores, entstammt der Zeit um 1470 (Bild 5). Der Heilige ist im päpstlichen Ornat dargestellt (Bemalung neu). Von zarter spätgotischer Formschönheit der feingegliederte Sockel der Statue, der den knienden Stifter (Abt Heribert v. Lülsdorf) mit Stab und Mitra, begleitet von wappentragenden Engeln, zeigt. Darunter betende Pilger. Der Sockel gehört zum Besten, was rheinische Plastik zu dieser Zeit geschaffen hat. — In der südlichen Vorhalle die Steinfiguren des Erlösers (1,90 m) und der Madonna (1,70 m), bemerkenswerte Arbeiten der niederrheinischen Plastik am Ausgang der Gotik (Bild 6 u.7) An den Seiten des südlichen Außentores die Steinfiguren des hl. Kornelius und des hl. Cyprianus (heute zum Schutze gegen die Witterung in den Innenraum gebracht, an Ort und Stelle durch Kopien ersetzt), vorzügliche Arbeiten aus der Mitte des 16. Jh. (Bild 8). Das feine spätgotische Empfinden für plastische Werte ist hier mit fortgeschrittener Naturbeobachtung gepaart. - Drei Grabplatien aus dem 17. Jh. (der Äbte Hermann v. Eynallen, Johannes v. Gertzen und Heinrich v. Fremersdorf) zeigen in schwarzem Marmor typische Reliefarbeiten der Jahrhundertmitte (Bild 9). — Ihre Bedeutung als Wallfahrtsort verdankt die Kirche den evangelischen Heiligtümern: dem Schürztuch Christi, dem Grabtuch und dem Schweißtuch. Erster urkundlicher Nachweis der Heiligtümer an dieser Stelle in einer Ablaßbulle des Jahres 1359. Nach der Überlieferung sind sie aber schon unter Ludwig dem Frommen nach Kornelimünster gekommen. (Vgl. Kleinermauns „Aus Aachens Vorzeit“ 19, S. 145 f.. u. 200; 23, S.651.). Weihnachten 1935 wurde die ehemalige Abteikirche zur Propsteikirche erhoben. —- Der Kirchenschatz birgt bemerkenswerte Silberarbeiten: die Büste des hl. Kornelius (um 1470 — Bild 10), des hl. Cyprian (um 1640), das Hornreliquiar, das wahrscheinlich schon im 10. Jh. nach Kornelimünster gekommen ist. Die Silberfassung entstammt dem 15. Jh. Unter den Paramenten befinden sich wertvolle Arbeiten des 15., 16. und vor allem des 17. Jh.

6. Madonnenstatue

7. Erlöserstatue

Die katholische Kirche auf dem Berge (Bild 1 u. 2) besteht im Westbau aus einer karolingischen Anlage. Andere Reste aus karolingischer Zeit wurden im Langhaus und in der Umgebung der Kirche freigelegt; sie konnten jedoch in einen einheitlichen Zusammenhang nicht gebracht werden. JJas Langhaus, ein dreischiffiger Bruchsteinbau auf Rundpfeilern mit dreiseitigem Chor, wurde im 15. Jh. als Pfarrkirche für das ganze Münsterland gebaut. Reste einer Umfassungsmauer sind mit Türmchen erhalten. - Der Kirchenschatz birgt bemerkenswerte Silberarbeiten: die Büste des hl. Kornelius (um 1470 — Bild 10), des hl. Cyprian (tun 1640), das Hornreliquiar, das wahrscheinlich schon im 10. Jh. nach Kornelimünst.er gekommen ist. Die Silberfassung entstammt dem 15. ,JII. Unter den Param enten befinden sich wertvolle Arbeiten des 15., 16. und vor allem des 17. Jh.

Die katholische Kirche auf dem Berge (Bild 1 u. 2) besteht im Westbau aus einer karolingischen Anlage. Andere Reste aus karolingischer Zeit wurden im Langhaus und in der Umgebung der Kirche freigelegt; sie konnten jedoch in einen einheitlichen Zusammenhang nicht gebracht werden. Das Langhaus, ein dreischiffiger Bruchsteinbau auf Rundpfeilern mit dreiseitigem Chor, wurde im 15. Jh. als Pfarrkirche für das ganze Münsterland gebaut. Reste einer Umfassungsmauer sind mit Türmchen erhalten.

8. Korneliusstatue am Außentor der Propsteikirche

9. Propsteikirche. Grabstein des Abtes Heinrich v. Fremersdorf

Die Benediktinerabtei. Von der ehemaligen Benediktinerabtei ist als ältester Teil die Toranlage aus dem Beginn des 16. Jh. erhalten (Bild 11). Das Vorwerk mit zwei haubenbekrönten Rundtürmen tragt die Jahreszahl 1682. Das Hauptgebäude, die fünfflügelige Anlage des 18. Jh. (Bild 12), ist Zeugnis des letzten Wohlstandes, der dem Verfall und der endgültigen Auflösung voraufging. Der verputzte Ziegelbau ist zweigeschossig und durch Hausteinlisenen und entsprechende Fensterfassungen abgesetzt. Die südlichen Flügel wurden nach ursprünglichem Plan erst im 19. Jh. angefügt, nachdem das Gebäude längst einer anderen Bestimmung übergeben worden war. Im Inneren reiche Ausstattung in Stuckarbeiten des 18. Jh., Deckengemälde werden von zierlichem Rankenwerk des Spätbarock gefaßt. Im Jagdzimmer sind bei den Wiederherstellungsarbeiten umfangreiche Wandmalereien freigelegt worden, welche unter dem Einfluß französischer dekorativer Landschaftsmalerei Szenen aus dem Jagdleben darstellen. Das Innere des Mitteltraktes in dem sich diese dekorativen Arbeiten befinden, ist heute das Heimatmuseum des Landkreises Aachen. Bis zum Jahre 1926 diente das Abteigebäude als Lehrerseminar.

10. Propsteikirche, Reliquienbüste des hl. Kornelius

Die alten Bürgerhäuser, rings um den großen Baublock der Abtei und Abteikirche gelagert und kaum von neuzeitlichen baulichen Eingriffen gestört, geben dem Ort das eigenartige Gepräge. Ihr Charakter ist bestimmt durch den Neubau des Abteigebäudes (1721—28) und die Bautätigkeit des Stadtarchitekten Laurenz Meferdati im benachbarten Aachen. Wie dort eine Vorliebe für die Verbindung von Ziegelstein und Blaustein aus dem Maastal (pierre bleue aus Namur) und flache Hängeerker oder Hangestuben eng aneinander gereihter schmaler Fenster unter einem Dreieckgiebel: Friedrich-Wilhelm-Platz 62 und 155. Haus Trierer Straße 34) mit zierlich gegliederten Gitterkästen im Erdgesehoß, verwandt den Gittern am Nordflügel des Abteigebäudes, dazu Steinbänke seitlich des Hauseingangs quer in den Bürgersteig gestellt; auch sonst. noch in Kornelimünster verschiedene mit Stein- oder mit Gitterwerk geschmückte Freitreppen.

Literatur:
Die Kunstdenkmäler der Kreise Aachen und Eupen, bearbeitet von Heribert Reiners, Düsseldorf 1912.
Richara Klapheck, „Die Baukunst am Niederrhein", 1915 u. 1919.

PAUL .J. SCHOENEN. Aachen 1936.

11. Außentor der ehemaligen Benediktinerabtei

12. Grundriß der ehemaligen Benediktinerabtei (vgl. Bild 1)

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