Lage.
In einer bogenförmigen Ausweitung des Indetales, eingesenkt in die
Bodenwellen, welche die Eifel nach Norden ausschwingen, 10 km
südlich der alten Kaiserstadt Aachen, liegt die ehemalige
Reichsabtei Kornelimünster (Bild 1). Am Indelauf hingezogen,
umkränzt. das altertümliche Städtchen gleichen Namens Kirche und
Kloster der Abtei, die Keim und Kern des Ortsbildes wurde. Von der
Höhe des rechten Indeufers schaut die alte Pfarrkirche herab, durch
eine Umfassungsmauer fest in das Landschaftsbild eingebunden (Bild
1). Ein Anblick von eigenartigem Reiz bietet sich dem, der auf der
von Aachen kommend von der Höhe herab ins Tal steigt. Die
Geschichte. der ganzen Landschaft, deren Beherrscher und Beschützer
die Abtei war, spricht aus diesem Gesamtbild, das in seiner
Geschlossenheit erhalten blieb wie nur wenige geschichtlich
denkwürdige Stätten Westdeutschlands.
Die
Römersiedlung. Die Geschichte des Städtchens ist die Geschichte
der Abtei. Die freigelegte Römersiedlung auf der Höhe des rechten
Uferhanges bleibt in der Geschichte der Landschaft nur Vorspiel.
Hier stieß die von Jülich kommende Heerstraße auf die wichtige
Verbindung Köln— Düren—Dinant. Ein Tempel hat die Stelle geheiligt.
Ausgrabungen ergaben die Grundmauern der Anlage und den
inschriftlich überlieferten Namen Varnenum, der auf eine Gottheit
Varneno hinweist. Gründung und Ausbau stammen aus dem 2. Jahrhundert
n. Chr.. Am Ende der Römerzeit verfällt die Siedlung; bei der
Neugründung des 9. Jh. ist nicht einmal, mehr eine Erinnerung an die
Römerzeit erhalten.
1.
Luftaufnahme. Im Mittelpunkt ehem. Abtei Abteikirche mit
Korneliuskapelle (vgl. Bild 2).
Rechts oben die alte Pfarrkirche (vgl. Bild 2
2.
Korneliuskapelle (vgl. Bild 1). — Auf der Anhöhe alte Pfarrkirche
(vgl. Bild 1)
3.
Propsteikirche. Blick in die südlichen Seitenschiffe
Die
Abteikirche, heutige Pfarrkirche, gehört. zu den geschichtlich
bedeutsamen Bauwerken Westdeutschlands (Bild 1). Eine vielgestaltige
Baugeschichte führt die Kirche durch den Wechsel von neun
Jahrhunderten. In den großen Stilwandlungen spiegelt sich hier die
Geschichte der Landschaft. Die reiche Innenausstattung ergänzt das
kunstgeschichtliche Gesamtbild. Die Gründung des Klosters erfolgt
814 durch Benedikt von Anian. 817 Einweihung der Kirche im Beisein
Ludwigs des Frommen, der Stiftung reich beschenkt. Das Wohlwollen
der Kaiser fördert die rasche Entwicklung auch in der Folgezeit.
Doch schon im Jahre 881 zerstören die Normannen Kirche und Kloster.
4.
Propsteikirche. Nördliches Seitenschiff.
Auf den alten
Grundmauern entsteht eine neue dreischiffige. Basilika, welche in
den Kämpfen mit der freien Reichsstadt Aachen 1310 zerstört wird. In
den folgenden Jahrzehnten entsteht der gotische Neubau. Die
Maßverhältnisse der älteren Anlage werden für das Mittelschiff
beibehalten. Der Zustrom der Pilger, die zur Verehrung der
Heiligtümer herbeieilen, fordert Erweiterung des Kirchenraumes. Das
Mittelschiff wird verlängert und zu dem heutigen Chorabschluß
gebracht; um 1470 werden die beiden Südschiffe angebaut (Bild 3);
der Westbau, ein Rest des alten Atriums, wird eingewölbt. Die
nächste wesentliche Erweiterung erfährt die Kirche. um 1520, als Abt
Heinrich von Binsfeld die hohen Nordschiffe anbauen läßt (Bild 4).
Eine letzte Erweiterung erfolgt im Jahre 1708 durch die
Korneliuskapelle, welche dem Baukörper ohne Raumverbindung im Osten
angefügt wird (Bild 2). — So entstand die Kirche aus
unterschiedlichem Stil- und Raumempfinden als fünfschiffige Anlage.
Die aus dem alten Bau übernommenen starken Pfeilermassive setzen das
Mittelschiff, das ohne eigenes Licht bleibt, gegen die Seitenschiffe
ab. Einzig der zu den Nordschiffen durchbrochene Obergaden gibt dem
halbdunkeln Mittelschiff indirektes Licht (Bild 3 u. 4). Die.
Seitenschiffe wiederum, in sich Einheiten von größerer stilistischer
Klarheit als das Hauptschiff, bilden selbständige Bauteile, die zum
Mittelschiff keine Raumbeziehung finden. Besonders in den
Nordschiffen kommt die feingliedrige Klarheit spätgotischer Anlage
zu reinem Klang (Bild 4). - Die Ausstattung der Kirche zeigt in
ihren wesentlichen Teilen aufschlußreiche Originalstücke
verschiedener Stilabschnitte. Das Mittelschiff wird beherrscht durch
den zweigeschossigen barocken Hauptaltar mit der Kreuzabnahme und
der Erscheinung des Auferstandenen von dem Rubensschüler Gerhard
Douffet (1594 bis 1660). Der Aachener Baumeister Joh. Jos. Couven
(1701- 1763) hat dem Altar ein Tabernakel im Rokokostil vorgesetzt.
5.
Propsteikirche. Korneliusstatus im Chor.
Gleichzeitig
hat er das Chorinnere durch die geknickt ausladenden Altarstufen,
welchen die Bewegung der reichgeschnitzten Kommunionbank folgt,
sowie durch die vasengekrönten, geschweiften Türfassungen (Bild 5)
als einheitlichen, kraftvollen Akzent für den gesamten Kirchenraum
zusammengefaßt. Dieser Anlage entspricht das starkbewegte
Orgelgehäuse im gleichen Stil (heute leider durch die Rückverlegung
der Empore in seinen eigenen Schatten gegen das Westfenster
gerückt). Der nördliche Seitenaltar zeigt in 1,88 m hohem, weiß
bemaltem Holzrelief Christus am Ölberg, eine Arbeit aus dem
niederländischen Formenkreis des 17. Jh. Im südlichen Seitenschiff
der dreiteilige Annaaltar mit Kreuzigungsszene im Aufbau, eine
bedeutsame rheinische Schnitzarbeit des frühen 16. Jh. (Bemalung
neu). Das guterhaltene Chorgestühl aus der 1. Hälfte des 14. Jh.
steht heute auf der Empore und in der Taufkapelle des Westwerks.
Dort auch der schöne gotische Taufstein, der in seiner veralterten
Gesamtform auf die romanischen Typen verweist. — Von besonderer
Bedeutung sind die freiplastischen Einzelskulpturen: die Statue des
Kirchenpatrons, des heiligen Benediktinerpapstes Kornelius, an der
Nordwand des Chores, entstammt der Zeit um 1470 (Bild 5). Der
Heilige ist im päpstlichen Ornat dargestellt (Bemalung neu). Von
zarter spätgotischer Formschönheit der feingegliederte Sockel der
Statue, der den knienden Stifter (Abt Heribert v. Lülsdorf) mit Stab
und Mitra, begleitet von wappentragenden Engeln, zeigt. Darunter
betende Pilger. Der Sockel gehört zum Besten, was rheinische Plastik
zu dieser Zeit geschaffen hat. — In der südlichen Vorhalle die
Steinfiguren des Erlösers (1,90 m) und der Madonna (1,70 m),
bemerkenswerte Arbeiten der niederrheinischen Plastik am Ausgang der
Gotik (Bild 6 u.7) An den Seiten des südlichen Außentores die
Steinfiguren des hl. Kornelius und des hl. Cyprianus (heute zum
Schutze gegen die Witterung in den Innenraum gebracht, an Ort und
Stelle durch Kopien ersetzt), vorzügliche Arbeiten aus der Mitte des
16. Jh. (Bild 8). Das feine spätgotische Empfinden für plastische
Werte ist hier mit fortgeschrittener Naturbeobachtung gepaart. -
Drei Grabplatien aus dem 17. Jh. (der Äbte Hermann v. Eynallen,
Johannes v. Gertzen und Heinrich v. Fremersdorf) zeigen in schwarzem
Marmor typische Reliefarbeiten der Jahrhundertmitte (Bild 9). — Ihre
Bedeutung als Wallfahrtsort verdankt die Kirche den evangelischen
Heiligtümern: dem Schürztuch Christi, dem Grabtuch und dem
Schweißtuch. Erster urkundlicher Nachweis der Heiligtümer an dieser
Stelle in einer Ablaßbulle des Jahres 1359. Nach der Überlieferung
sind sie aber schon unter Ludwig dem Frommen nach Kornelimünster
gekommen. (Vgl. Kleinermauns „Aus Aachens Vorzeit“ 19, S. 145 f.. u.
200; 23, S.651.). Weihnachten 1935 wurde die ehemalige Abteikirche
zur Propsteikirche erhoben. —- Der Kirchenschatz birgt
bemerkenswerte Silberarbeiten: die Büste des hl. Kornelius (um 1470
— Bild 10), des hl. Cyprian (um 1640), das Hornreliquiar, das
wahrscheinlich schon im 10. Jh. nach Kornelimünster gekommen ist.
Die Silberfassung entstammt dem 15. Jh. Unter den Paramenten
befinden sich wertvolle Arbeiten des 15., 16. und vor allem des 17.
Jh.
6.
Madonnenstatue
7.
Erlöserstatue
Die
katholische Kirche auf dem Berge (Bild 1
u. 2) besteht im Westbau aus einer karolingischen Anlage. Andere
Reste aus karolingischer Zeit wurden im Langhaus und in der Umgebung
der Kirche freigelegt; sie konnten jedoch in einen einheitlichen
Zusammenhang nicht gebracht werden. JJas Langhaus, ein
dreischiffiger Bruchsteinbau auf Rundpfeilern mit dreiseitigem Chor,
wurde im 15. Jh. als Pfarrkirche für das ganze Münsterland gebaut.
Reste einer Umfassungsmauer sind mit Türmchen erhalten. - Der
Kirchenschatz birgt bemerkenswerte Silberarbeiten: die Büste des hl.
Kornelius (um 1470 — Bild 10), des hl. Cyprian (tun 1640), das
Hornreliquiar, das wahrscheinlich schon im 10. Jh. nach
Kornelimünst.er gekommen ist. Die Silberfassung entstammt dem 15. ,JII.
Unter den Param enten befinden sich wertvolle Arbeiten des 15., 16.
und vor allem des 17. Jh.
Die
katholische Kirche auf dem Berge (Bild 1 u. 2) besteht im Westbau
aus einer karolingischen Anlage. Andere Reste aus karolingischer
Zeit wurden im Langhaus und in der Umgebung der Kirche freigelegt;
sie konnten jedoch in einen einheitlichen Zusammenhang nicht
gebracht werden. Das Langhaus, ein dreischiffiger Bruchsteinbau auf
Rundpfeilern mit dreiseitigem Chor, wurde im 15. Jh. als Pfarrkirche
für das ganze Münsterland gebaut. Reste einer Umfassungsmauer sind
mit Türmchen erhalten.
8.
Korneliusstatue am Außentor der Propsteikirche
9.
Propsteikirche. Grabstein des Abtes Heinrich v. Fremersdorf
Die
Benediktinerabtei. Von der ehemaligen
Benediktinerabtei ist als ältester Teil die Toranlage aus dem Beginn
des 16. Jh. erhalten (Bild 11). Das Vorwerk mit zwei haubenbekrönten
Rundtürmen tragt die Jahreszahl 1682. Das Hauptgebäude, die
fünfflügelige Anlage des 18. Jh. (Bild 12), ist Zeugnis des letzten
Wohlstandes, der dem Verfall und der endgültigen Auflösung
voraufging. Der verputzte Ziegelbau ist zweigeschossig und durch
Hausteinlisenen und entsprechende Fensterfassungen abgesetzt. Die
südlichen Flügel wurden nach ursprünglichem Plan erst im 19. Jh.
angefügt, nachdem das Gebäude längst einer anderen Bestimmung
übergeben worden war. Im Inneren reiche Ausstattung in Stuckarbeiten
des 18. Jh., Deckengemälde werden von zierlichem Rankenwerk des
Spätbarock gefaßt. Im Jagdzimmer sind bei den
Wiederherstellungsarbeiten umfangreiche Wandmalereien freigelegt
worden, welche unter dem Einfluß französischer dekorativer
Landschaftsmalerei Szenen aus dem Jagdleben darstellen. Das Innere
des Mitteltraktes in dem sich diese dekorativen Arbeiten befinden,
ist heute das Heimatmuseum des Landkreises Aachen. Bis zum Jahre
1926 diente das Abteigebäude als Lehrerseminar.
10.
Propsteikirche, Reliquienbüste des hl. Kornelius
Die
alten Bürgerhäuser, rings um den großen
Baublock der Abtei und Abteikirche gelagert und kaum von
neuzeitlichen baulichen Eingriffen gestört, geben dem Ort das
eigenartige Gepräge. Ihr Charakter ist bestimmt durch den Neubau des
Abteigebäudes (1721—28) und die Bautätigkeit des Stadtarchitekten
Laurenz Meferdati im benachbarten Aachen. Wie dort eine Vorliebe für
die Verbindung von Ziegelstein und Blaustein aus dem Maastal (pierre
bleue aus Namur) und flache Hängeerker oder Hangestuben eng
aneinander gereihter schmaler Fenster unter einem Dreieckgiebel:
Friedrich-Wilhelm-Platz 62 und 155. Haus Trierer Straße 34) mit
zierlich gegliederten Gitterkästen im Erdgesehoß, verwandt den
Gittern am Nordflügel des Abteigebäudes, dazu Steinbänke seitlich
des Hauseingangs quer in den Bürgersteig gestellt; auch sonst. noch
in Kornelimünster verschiedene mit Stein- oder mit Gitterwerk
geschmückte Freitreppen.
Literatur:
Die Kunstdenkmäler der Kreise Aachen und Eupen, bearbeitet von
Heribert Reiners, Düsseldorf 1912.
Richara Klapheck, „Die Baukunst am Niederrhein", 1915 u. 1919.
PAUL .J.
SCHOENEN. Aachen 1936.
11.
Außentor der ehemaligen Benediktinerabtei
12.
Grundriß der ehemaligen Benediktinerabtei (vgl. Bild 1) |