1. Ansicht der
Benediktinerabtei bei Merian um 1640 (rechte Hälfte)
Die Benediktinerabtei
auf dem Michaelsberg.
Um die Mitte des 11. Jh. trug der das ganze untere Siegtal
beherrschende „Sigeberg" die Burg des Pfalzgrafen Heinrich, der von
hier aus den Auelgau verwaltete. Eine heftige Fehde mit Erzbischof
Anno von Köln endete mit Heinrichs Unterwerfung; die Burg ging in
erzbischöflichen Besitz über, und Anno gründete an ihrer Stelle im
Jahre 1064 eine Klosterniederlassung, die er erst mit Kölner
Stiftsherren, sechs Jahre darauf aber mit Benediktinern aus dem
oberitalienischen Kloster Fructuaria besiedelte. Dem Abt wurde als
Schirmer gegen, weltliche Angriffe und als Verwalter der weltlichen
Gerichtsbarkeit ein Vogt zur Seite gegeben. Erzbischof Anno, der
seiner Klosterstiftung besondere Fürsorge zuwandte, wurde nach
seinem Tode im Jahre 1075 in der Klosterkirche beigesetzt. Auch
seine Nachfolger Hermann (†1100) und Friedrich (†1131) fanden dort
ihre Grabstätte. Schon bald mehrten sich Ansehen und Besitz des
Klosters; im Laufe des 12. Jh. erfolgten in den großen auswärtigen
Landbesitzungen die Gründungen reicher Propsteien (Hirzenach, St.
Apollinaris bei Remagen, Millen im Limburgischen, Oberpleis;
Zülpich, St. Cyriacus bei Overath, Güls a. d. Mosel und Krucht bei
Siegburg). Auch die Frauenklöster Rolandswerth und Fürstenberg bei
Xanten waren den Siegburgern unterstellt. Die angestrebte
Heiligsprechung Annos wurde im Jahre 1183 erreicht. Das Kloster
stand bei der feierlichen Translatio der Gebeine des Heiligen auf
der Höhe seiner Macht und seines Reichtums. Von seiner Bedeutung als
Kultur- und Kunstzentrum in dieser Zeit zeugen die heute in der
Servatiuskirche in Siegburg bewahrten Reste des ehemaligen
Klosterschatzes, unter ihnen einzigartig hervorragend der köstliche
Annoschrein (s. u.). Schon zu Beginn des 12. Jh. entstanden im
Kloster die „Vita Annonis“ und bald darauf die „Maere von Sente
Annen“, das berühmte Annolied, ein wertvolles Denkmal
mittelalterlicher deutscher Dichtung.
2. Siegburg. Abteikirche,
annonische Krypta mit Darstellung der neuesten Forschungsergebnisse.
Gezeichnet von Schorn
Die Grafen und späteren Herzöge von Berg, denen mit wenigen
Ausnahmen das Amt des Vogtes oblag, sahen den Machtbestrebungen des
Michaelsklosters nur ungern zu; das ursprünglich gute Verhältnis
wandelte sich bald in sein Gegenteil, und so ist denn die Geschichte
des Klosters und auch des sich gleichzeitig am Fuße des Berges
entwickelnden Ortes, der mit allerlei Handelsprivilegien
ausgestattet war, im Laufe der folgenden Jahrhunderte durch dauernde
Fehden gekennzeichnet. Auf diese ist es auch mit zurückzuführen, daß
sich von dem Gründungsbau nur der westliche Teil der Krypta und die
drei unteren Geschosse des Westturms erhalten haben, in dessen
Fundament im Jahre 1934 das Grab des zweiten Abtes, Reginhard
(†1105), entdeckt wurde. Wir haben uns die ursprüngliche Kirche als
dreischiffige Pfeilerbasilika mit Westturm, Querschiff, Chor und
seitlichen, gleichgerichteten Apsidiolen vorzustellen. Eine in den
Jahren 1935/36 erfolgte Instandsetzung der Krypta hat in deren
ältestem Teil vier kurz aufeinanderfolgende Bauabschnitte deutlich
erkennen lassen, die zweifellos bedingt waren durch die damals wohl
schon auftretenden Erdbewegungen nach Osten; diese machten auch
schon kurz nach 1100 einen Umbau der annonischen Choranlage
notwendig (Bild 2). Der alte Kryptenteil erstreckt sich in voller
Breite unter dem Querschiff. Die 21 Gewölbefelder werden von je 6
Säulen mit steilen attischen Basen und schlichten Würfelkapitellen
getragen. Die Wände waren ursprünglich durchgehend mit Nischen
gegliedert. Der ursprüngliche, Raumeindruck wird vollkommen
verwischt durch die unter Abt Pilgrim (1388 - 1417) erfolgte
Erweiterung nach Osten, über der sich der ebenfalls damals
errichtete spätgotische Chor erhebt.
3. Siegburg. Abteikirche von Norden
Auf Abt Pilgrim geht auch die
kräftige östliche Böschungsmauer zurück, wodurch dem weiteren
Abgleiten des Berges Einhalt geboten werden sollte. Der Neubau der
Chorpartie war damals wahrscheinlich notwendig geworden, nachdem das
Kloster in der Fehde des Herzogs Wilhelm von Berg mit seinem Sohn
Adolf zu Beginn des 15. Jh. in Mitleidenschaft gezogen war. Bis zur
Mitte des 16. Jh. erhielten nun auch die anderen Seiten des
Klosterbezirkes ihre Stützmauern, die wehrhaft ausgebildet wurden.
An der Südseite ist von den Aufbauten noch das malerische
Johannestürmchen erhalten. Den festungsähnlichen Charakter der
Anlage hält der Meriansche Stich (1640) fest (Bild 1). Im 16. .Jh.
mehrten sich die Bestrebungen der Herzöge von Berg, sich die
abteilichen Besitzungen anzueignen. Das 17. Jh. brachte die meisten
Schicksalsschläge. In den Jahren 1632/35 hielten die Schweden Stadt
und Kloster besetzt. Zwei Jahre nach dem großen Siegburger
Stadtbrand fielen Langhaus und Querschiff der Kirche einem Brande
zum Opfer (1649). Diese Partien wurden bis 1667 in schlichtesten
Barockformen wieder aufgebaut; die erhaltenen drei romanischen
Stockwerke des Westturms wurden damals ummantelt und überhöht (Bild
3). Beherrschend für den Gesamteindruck des Ankommenden ist die
hohe, von einem riesigen gotisierenden Fenster durchbrochene, mit
Pilastern gegliederte nördliche Querschiffwand. Das Innere der
Kirche ist einfach und streng: Barockformen in schlichtester Prägung
(Bild 4).
Im Jahre 1676 erreichte der Herzog
von Berg sein Ziel; die Abtei verlor ihre Reichsunmittelbarkeit
sowie ihre Besitzungen und mußte den Vogt als Oberherrn anerkennen.
Durch die dauernden Wirren hatte das Kloster bereits sehr an Macht
eingebüßt; weitere Schläge brachten es zur gänzlichen
Bedeutungslosigkeit herab. Das rheinische Schicksalsjahr 1688/89
brachten dem Michaelsberg wieder große Schäden; in den Jahren 1762
und 1772 vernichteten Brände die gesamten Klostergebäude und die
Dächer der Kirche. Der Wiederaufbau des Klosters vollzog sich in
einfachsten Formen des Spätbarocks. Im wesentlichen formte Sich
damals erst das heute noch erhaltene Bild.
4. Siegburg.
Abteikirche, Inneres.
Der innere
Ausbau war noch nicht beendet, als das Kloster im Jahre 1803
aufgehoben wurde. Nach anfänglicher Verwendung der Gebäude für
verschiedene kommunale und militärische Zwecke, wurde hier eine
Provinzial-Irrenanstalt eingerichtet, die von 1825 - 1879 bestand.
Das Kloster ging dann wieder in Staatsbesitz über und wurde
Zuchthaus. Nach mannigfachen Bestrebungen, das ehemals so bedeutende
Kloster wieder seinem ursprünglichen Zweck zuzuführen, zogen im
Jahre 1914 Benediktinermönche hier ein, die sich seitdem der
allmählichen Instandsetzung des alten Bestandes tatkräftig widmen.
Das Innere der
Kirche wurde 1933/35 wiederhergestellt. In ihr bemerkenswert der aus
der Bonner Remigiuskirche stammende barocke Hochaltar (mit neuem
Michaelsbild). Der rechte Seitenaltar gute Arbeit des 18. Jh. Die
Fenster in der Krypta 1936 von Zepter, Köln. Die alte reiche
Ausstattung der Kirche wurde 1803 zerstreut. Ein großer Teil des
Kirchenschatzes, dessen bedeutender Umfang aus alten Inventaren
bekannt ist, wurde eingeschmolzen, einzig die mittelalterlichen
Reliquienschreine entgingen wegen ihres verhältnismäßig geringen
Metallwertes diesem Schicksal; sie wurden an die Servatiuskirehe in
der Stadt geschenkt (s. u.).
Die
Servatiuskirche. Von einer Pfarrkirche in Siegburg ist bereits
in der „Vita Annonis“ die Rede.
Von diesem
Bau, der wahrscheinlich im 11. Jh, errichtet wurde, haben sich
Spuren nicht erhalten, Hingegen ist im Jahre 1169 von einer im Bau
befindlichen Kirche die Rede. Den Bauformen dieser Zeit, d. h. der
zweiten Hälfte des 12. Jh., entsprechen wesentliche Teile der
heutigen, dem hl. Servatius geweihten Pfarrkirche, die eine
dreischiffige, nur in den Seitenschiffen gewölbte Pfeilerbasilika
mit drei Apsiden und vorgelegtem Westturm war (Bild 5—6). Gegen Ende
des 13. Jh. trug man sich mit dem Gedanken einer Erweiterung,
vielleicht gar einer Ersetzung der romanischen Kirche durch einen
gotischen Neubau. Um 1300 war der heute bestehende Chor vollendet;
das romanische Langhaus wurde vorläufig unverändert beibehalten.
Erst um 1500 erfolgte auch hier ein Umbau, wobei zunächst das
Mittelschiff auf die Höhe des Chors gebracht und eingewölbt wurde.
Man erneuerte damals auch die nördliche Empore, während auf der
Südseite auch das Seitenschiff neugebaut wurde. Beide Abseiten
erhielten damals ihre kleinen Vorhallen; das Obergeschoß der
südlichen ist die heutige Schatzkammer.
5. Siegburg. Pfarrkirche St.
Servatius, Ansieht bei Merian um 1640.
Der
verheerende Siegburger Stadtbrand von 1647 (s. o.) hat auch die
Kirche nicht verschont; der Turm und die Dächer sowie die Gewölbe
wurden damals stark in Mitleidenschaft gezogen. Bei einer bald
darauf einsetzenden Instandsetzung erhielt der Westturm eine
„welsche Haube“, die bei der purifizierenden Restauration in den
60er Jahren des 19. Jh. durch den „richtigeren“ spätromanischen
Turmhelrn, den wir heute sehen, ersetzt wurde. Im Jahre 1888
erfolgte die wenig glückliche Erneuerung der den Westturm
begleitenden Abschnitte der Seitenschiffe. Umfassende
Sicherungsarbeiten fanden in den Jahren 1897 - 1900 statt; eine
innere Wiederherstellung erfolgte im Jahre 1932.
6. Pfarrkirche St. Servatius, Grundriß aus dem Jahre 1900.
7. Pfarrkirche
St. Servatius von Westen.
8. St. Servatius, Querschnitt.
Der Eindruck
des Äußeren wird beherrscht durch den mächtigen sechsgeschossigen
Westturm, der mit seiner reichen Blendgliederung zu den schönsten
Beispielen dieser am Rhein so beliebten Gattung gehört (Bild 7).
Überwiegend wurde hier, wie überhaupt an der Kirche, der
außerordentlich schöne goldgelbe Wolsdorfcr Sandstein als
Baumaterial verwendet. Der Westfront ist ein mehrfach abgestuftes
schlichtes Rundbogenportal vorgelegt. Das zweite Geschoß zeigt fünf
Blendarkaden über Säulen. Die nun folgenden vier Geschosse sind
durch Gesimse voneinander getrennt und in der Art ihrer Gliederung
außerordentlich rein differenziert. Die Formen der beiden oberen
Geschosse weisen schon weit in das 13. Jh. Der ursprüngliche
Raumeindruck des romanischen Langhauses ist durch den späteren Umbau
stark verändert. Das Mittelschiff öffnet sich in fünf Arkaden über
oblongen Pfeilern zu den Seitenschiffen, von denen das nördliche
noch die alten Kreuzgratgewölbe bewahrt hat (vgl. o.). Das
spätgotisch erneuerte südliche Seitenschiff ist breiter angelegt und
zeigt Kreuzrippen. Beide Emporengeschosse haben schlichte
spätgotische Überwölbung und seit der Instandsetzung des 10. Jh.
flache Dächer mit Galerien. Die romanischen Emporenöffnungen waren
urasprcmglicti dreifach unterteilt (diese Anlage nur in den
westlichen Arkaden erhalten, aber hier auch nur in spätgotischer
Erneuerung). Der unverhältnismäßig hohe Obergaden zeigt schlichte
zweigeteilte Maßwerkfenster. Das Mittelschiff ist mit einem
Sterngewölbe geschlossen. Von besondere! Erlesenheit, namentlich im
Äußeren, ist die um 1300 vollendete frühgotische ChorparLie (Bild
8—9). Der Hauptchor zeigt zwei rechteckige Joche und 5
/8-Schluß; seitlich schließen sich, stark zurückspringend, kleine,
ebenfalls aus fünf Seiten des Achtecks gebildete Nebenchöre an. Im
Gesamtaufriß, wie vor allem auch in der Behandlung des Details
klingt hier die Formenwelt der Kölner Dombauhütte ganz
offensichtlich an, aus der der Baumeister dieses köstlichen Denkmals
frühgotischer rheinischer Architektur zweifellos hervorgegangen ist.
Von der Ausstattung sind zu nennen der im Jahre 1809 neu errichtete
Hochaltar mit der mächtigen Trachytmensa vom Hochaltar der damals
bis auf den Chor abgebrochenen Heisterbacher Klosterkirche. Von den
Apostelfiguren des Mittelschiffes sind die östlichen sechs Arbeiten
aus dem Anfang des 16. Jh. mit den übrigen neuen Figuren neu gefaßt.
In der südlichen Ernpore steht am Eingang zur Schatzkamrner auf
einer sehr feinen spätgotischen Ziersäule aus dem beginnenden 16,
Jh. eine typisch rheinische, gotische Muttergottesfigur aus dem
Anfang des 15. Jh. (Bild 10). Am nördlichen Chorpfeiler eine
lebensgroße Marienfigur aus der Mitte des 18. Jh. Aus diesem
Jahrhundert auch der nördliche Seitenaltar, der wahrscheinlich aus
der Abteikirche stammt, mit einer guten Servatiusfigur. Ferner hat
sich der spätromanische Taufstein erhalten. Das neue Chorfenster ist
von Schölgen, die Plastiken des neuen Orgelprospektes sind von
Bildhauer Simon, Köln.
Kirchenschatz. Von ganz überragender
Bedeutung ist der Kirchenschatz, der sich im wesentlichen aus den
von der Abteikirche im frühen 19. Jh. übernommenen mittelalterlichen
Reliquienschreinen zusammensetzt. Der ursprünglich viel
umfangreichere Schatz des Michaelsklosters war bereits 1632 vor den
Schweden nach Köln überführt worden; auch im 18. Jh. finden wir ihn
einmal dort, sowie während der Französischen Revolution kurze Zeit
im Westfälischen. Der Erhaltungszustand muß schon danlals nicht mehr
in allen Teilen befriedigend gewesen sein; die erhaltenen Werke
zeigten bis zu der in den Jahren 1900 - 1902 äußerst sorgfältig
durchgeführten Wiederherstellung und Sicherung Spuren einer ziemlich
derben Restauration. Das Prunkstück des Schatzes ist der 9,
Annoschrein, . zugleich der älteste der vier hier erhaltenen
romanischen Schreine (Bild 11—12). Er befindet sich heute hinter dem
Hochaltar. Als Material ist durchweg vergoldetes Kupferblech
verwendet worden, das in seinen einzelnen Teilen auf einen schweren
Eichenholzkern aufmontiert wurde. Seine Entstehung hängt mit der
Heiligsprechung Annos zusammen (1183); die Ausführung wird sich bis
in das 13. Jh. hineingezogen haben. An den Langseiten trennen
gekuppelte, reich emaillierte Säulchen je sechs Kleeblattbögen, in
denen sich früher die Sitzfiguren der in der Kölner Kirche besonders
verehrten Heiligen befanden. In den Zwickeln die Halbfigürchen der
Apostel und der Evangelistensymbole. Die großen Kleeblattbögen der
Schmalseiten und je drei Nischen für Halbfiguren darüber sind leer,
wie auch die Dachflächen, auf denen sieh außer drei prächtigen
Kämmen mit den nackten antikischen Figürchen in saftigem Laubwerk
und den herrlichen Knäufen nur noch die verzierten Leisten zur
Umrahmung der je fünf verschwundenen Reliefs befinden.
9. Pfarrkirche St. Servatius, Choransicht
10.
Pfarrkirche St. Servatius, Holzstatue einer
Muttergottes. 13. Jh.
11.
Pfarrkirche St. Servatius, Annoschrein; Vorderseite,
12. Jh.
12.
Pfarrkirche St. Servatius, Annoschrein; Vorderseite,
12. Jh.
13.
Pfarrkirche St. Servatius, Tragaltäre hl. Mauritius
und des hl. Gregorius, 12.Jh.
Alle
Sockelbänder und Gesimse sind entweder gestanzt mit fortlaufenden
ornamentalen Mustern Oder abwechselnd mit Email- und
Filigranplättchen belegt. Die Ausführung ist unvergleichlich in
ihrer erlesenen Schönheit und Exaktheit. An den Apostelfigürchen
lassen sich deutlich zwei Meisterhände unterscheiden. Dem einen,
offensichtlich aus einer stilistisch älteren Formenwelt schöpfenden
Meister möchte man die Figürchen der einen Langseite mit den dicken
Köpfen und flachen Augen geben, während die Figuren der anderen
Seile einem Meister zugeschrieben werden müssen, der im Sinne, einer
mehr individualisierenden Verlebendigung stilistisch
fortgeschrittener wirkt. Besonders bei ihm wie auch in dem
köstlichen Laubwerk der Kämme zeigt sich eingehendes Naturstudium,
zugleich mit einer unzweifelhaften Beeinflussung durch die Antike.
Ein kleiner Merkur mit seinem Flügelhut weist uns hierfür die
richtige Spur. Die folgenden Werke befinden sich in der
Schatzkammer: Der Schrein der hhl. Innozentius und Mauritius dürfte
im Anschluß an den Annoschrein entstanden sein (Anfang 13. Jh.); er
zeigt bei wesentlich einfacherer Gestaltung die gleichen Elemente.
Auch hier ist der gesamte figürliche Schmuck der Seiten und der
Dachflächen verloren; von den Kopfseiten zeigte die eine Christus
zwischen Mauritius und Innozentius, die andere die Muttergottes
zwischen Anno und St. Michael, während an den Langseiten die 12
Apostel wiedergegeben waren. Besonders reizvoll die Ausbildung des
Kammes mit den in die palmettenartige Ornamentik eingelassenen
abgeflachten Kristallkugeln, ganz ähnlich der Kamm des
Servatiusschreines in Maastricht. Aus dem Anfang des 13. Jh. stammen
ferner die beiden kleinen Reliquienschreine, der Benignusschrein und
der Honoratusschrein (Bild 15). Bei beiden ist ein gewisses
Nachlassen der technischen Vollendung, wie ihn der Annoschrein
zeigte, festzustellen. Der Schrein mit seiner reichen
Giebelausbildung auch über den Langseiten hat als einziger Schrein
einen Teil seines figürlichen Schmucks bewahrt; die Dachflächen
zeigen vier in Kupferblech geschlagene, ziemlich derbe Reliefs
(Verkündigung, Geburt, Kreuzigung, Auferstehung). und an einer
Langseite sind 5 Apostelfiguren erhalten.
14
Pfarrkirche St. Servatius. Deckel des Andreaskastens,
12. Jh.
Zeitlich folgt
in großem Abstande der im Jahre 1446 vollendete Apollinarisschrein.
Die Reliquien dieses Heiligen waren im Jahre 1394 durch Abt Pilgrim
von St. Apollinaris bei Remagen nach hier verbracht worden. Die
Felder dieses Schreins, der seines vollständigen figürlichen
Schmucks und auch sonst stark beraubt ist, zeigen ein schlichtes
gestanztes Rautenornament.
Zu den fünf
Schreinen gesellen sich eine Anzahl bedeutender kleiner Reliquiare
und Tragaltäre. Der Mauritiustragaltar ist in Köln kurz nach der
Mitte des 12. Jh. entstanden (Bild 13). Die weiß und rot umränderten
Emailplättchen der Seitenwände des rechteckigen Kastens zeigen auf
abwechselnd hell- und dunkelblauem Grunde die gedrungenen Gestalten
der 16 Propheten, deren Konturen dunkel emailliert sind;
Spruchbänder zeigen ihre Namen. Von besonderer Schönheit ist die
Deckplatte. Um einen rechteckigen eingefaßten Porphyrstein ziehen
sich an den Langseiten Darstellungen der 12 Apostel, an den
Schmalseiten je drei figürliche Szenen.
Verwandt ist
der Tragaltar des hl. Gregorius, der einen ganz besonderen Reichtum
an Emailornamentik und Figurenschmuck zeigt (Bild 13). Man denkt an
die Verzierungen des aus Hochelten stammenden Kuppelreliquiars in
London und an diejenigen des Welfenschatzes. Wie beim
Mauritiustragaltar ruht der mit Emailplatten verkleidete
kastenförmige Holzkern auf Drachenfüßen. Die Seitenflächen zeigen,
wie dort, lebendig gezeichnete Prophetenfiguren auf grünem Grunde.
Auf der überreich gezierten Deckplatte 36 Figürchen von Aposteln und
Heiligen, darunter bereits auch der im Jahre 1147 kanonisierte
Heribert von Deutz.
Dem Ende des
12. Jh. gehört der Andreaskasten an, der ebenfalls ganz emailliert
und mit eingravierten figürlichen Darstellungen versehen ist (Bild
14). Eine Langseite zeigt mit einer Schmalseite Christus, ein langes
Kreuz haltend, mit den 12 Aposteln; die andere Langseile eine
Abendmahlsdarstellung, die übrige Schmalseite die Muttergottes. Der
Deckel ist mit einer Reihe figürlicher Szenen von außerordentlicher
Schönheit überzogen, die durch geschweifte Spruchbänder getrennt
sind. Die etwas derbe Ausführung und andere stilistische Merkmale
lassen den Schrein einer westfälisch-niedersächsischen Gruppe dieser
Arbeiten zuweisen.
15
Pfarrkirche St. Servatius. Honoratiusschrein. 13. Jh.
Zeitlich folgt
in großem Abstande der im Jahre 1446 vollendete Apollinarisschrein.
Die Reliquien dieses Heiligen waren im Jahre 1394 durch Abt Pilgrim
von St. Apollinaris bei Remagen nach hier verbracht worden. Die
Felder dieses Schreins, der seines vollständigen figürlichen
Schmucks und auch sonst stark beraubt ist, zeigen ein schlichtes
gestanztes Rautenornament.
Zu den fünf
Schreinen gesellen sich eine Anzahl bedeutender kleiner Reliquiare
und Tragaltäre. Der Mauritiustragaltar ist in Köln kurz nach der
Mitte des 12. Jh. entstanden (Bild 13). Die weiß und rot umränderten
Emailplättchen der Seitenwände des rechteckigen Kastens zeigen auf
abwechselnd hell- und dunkelblauem Grunde die gedrungenen Gestalten
der 16 Propheten, deren Konturen dunkel emailliert. sind;
Spruchbänder zeigen ihre Namen. Von besonderer Schönheit ist die
Deckplatte. Um einen rechteckigen eingefaßten Porphyrstein ziehen
sich an den Langseiten Darstellungen der 12 Apostel, an den
Schmalseilen je drei figürliche Szenen.
Verwandt ist
der Tragaltar des hl. Gregorius, der einen ganz besonderen Reichtum
an Emailornamentik und Figurenschmuck zeigt (Bild 13). Man denkt an
die Verzierungen des aus Hochelten stammenden Kuppelreliquiars in
London und an diejenigen des Welfenschatzes. Wie beim
Mauritiustragaltar ruht der mit Emailplatten verkleidete
kastenförmige Holzkern auf Drachenfüßen. Die Seitenflächen zeigen,
wie dort, lebendig gezeichnete Prophetenfiguren auf grünem Grunde.
Auf der überreich gezierten Deckplatte 36 Figürchen von Aposteln und
Heiligen, darunter bereits auch der im Jahre 1147 kanonisierte
Heribert von Deutz.
Dem Ende des
12. Jh. gehört der Andreaskasten an, der ebenfalls ganz emailliert
und mit eingravierten figürlichen Darstellungen versehen ist (Bild
14). Eine Langseite zeigt mit einer Schmalseite Christus, ein langes
Kreuz haltend, mit den 12 Aposteln; die andere Langseile eine
Abendmahlsdarstellung, die übrige Schmalseite die Muttergottes. Der
Deckel ist mit einer Reihe figürlicher Szenen von außerordentlicher
Schönheit überzogen, die durch geschweifte Spruchbänder getrennt
sind. Die etwas derbe Ausführung und andere stilistische Merkmale
lassen den Schrein einer westfälisch-niedersächsischen Gruppe dieser
Arbeiten zuweisen.
Aus dem Anfang
des 13. Jh. stammen zwei Kästen aus Limogesemail, charakteristische
Beispiele dieser Gattung.
Ein
eigenartiges Gebilde ist der im 17./18. Jh. aus romanischen
Emailschmuckfragmenten zusammengesetzte, Reliquienkasten. Weitere
Reste, die ebenso auf einen ursprünglich noch viel größeren Umfang
des Schatzes hinweisen, befinden sich seit 1901 auf einer Tafel
unter Glas und
Rahmen.
Im Jahre 1901
entnahm man dem Annoschrein den berühmten, heute sich im Berliner
Schloßmuseum befindenden byzantinischen Seidenstoff mit je drei
Löwen in zwei Reihen übereinander auf purpurviolettem Grunde. Durch
eine regelmäßig wiederkehrende Inschrift „unter der Regierung des
Romanus und Christophoros, der allerchristlichen Herren“ ist das
Seidenstück als Produkt der byzantinischen Staatsmanufaktur aus der
Zeit zwischen 921 - 931 anzusehen. In Siegburg wird jetzt noch eine
Anzahl weiterer wertvoller mittelalterlicher Stoftreste bewahrt.
Aus dem
Annoschrein stammt wohl auch die Krümme des Bischofsstabes des
Heiligen, achtseitig und glatt in Elfenbein gebildet und als
Schlangenkopf endigend. Wahrscheinlich wurde den Gebeinen bei der
feierlichen Erhebung im Jahre 1183 der Konsekralionskamm aus
Elfenbein beigegeben, dessen Mittelteil auf beiden Seiten Drachen im
Relief zeigt. Aus dem 16. Jh. stammen zwei als spätgotische
Monstranzen gebildete silberne Reliquiare. Ferner haben sich mehrere
Reliquiare aus dem 17. Jh. erhalten.
Zur Geschichte
der Stadt. Der sich bereits zur Zeit der annonischen Klostergründung
am Fuße des Berges entwickelnde Ort erhielt neben anderen
Privilegien im Jahre 1125 Zollbefreiung vom Erzbischof Friedrich von
Köln (Bild 16). Im Jahre 1243 errichteten sich die Grafen von Berg
hier als Vögte der Abtei eine Burg, von der nichts mehr erhalten
ist; sie wurde nach einer Bestimmung des im Jahre 1676 zustande
gekommenen Vertrages mit der Abtei (s. o.) in den darauffolgenden
Jahren abgerissen. Sie stand an der Stelle der heutigen
„Schützenburg“. Die in der zweiten Hälfte des 14. Jh. einmal
erwähnte Stadtmauer ist wahrscheinlich im Jahre 1403 (s. o.)
weitgehend vernichtet. worden. Die Reste der Stadtmauer weisen
jedenfalls auf eine nahezu vollständige Erneuerung im Laufe des 15.
‚Jh. hin. Sie war mit ihren vier Toren um das Jahr 1830 noch wohl
erhalten; erst im Laufe des weiteren 19. Jh. verschwanden große
Strecken, vor allem aber auch die Tore. Reste haben sich am
Michaelsberg erhalten (die Stadtmauer begann hier im Südwesten der
Abtei) sowie an der Mahlgasse, am Tierbungert, an der Ringgasse und
an der Scherengasse. Vor den Mauern lagen die beiden Vororte „Aulgasse“
und „Driesch‘“, ersterer mit eigener Umwehrung und bedeutend als .
Sitz der im späten Mittelalter hier blühenden, weitberühmten
Töpfereien. Erst die Wirren des Truchsessischen Krieges (1583/84)
und des Jülich-Kleveschen Erbfolgestreites (1609 - 24) sowie die
Besatzungszeit während des Dreißigjährigen Krieges brachten dieses
Gewerbe hier vollkommen zum Erlahmen; die Töpfer wanderten für immer
nach Altenrath und Höhr usw. aus. Die mittelalterliche Stadt wurde
bei dem großen Brande im Jahre 1647 nahezu vollständig vernichtet;
sie sank zur absoluten Bedeutungslosigkeit herab. Aus dem folgenden
Jahrhundert haben sich zwei kleine Baudenkmale erhalten, die Kapelle
auf dem alten Friedhofe aus dem Jahre 1722 auf der Stelle der
ehemaligen Propstei zur Krucht, ein bescheidener kleiner Saalbau mit
halbrunder Apsis, und die Stadt- oder Muttergotteskapelle in der
Nähe des ehem. Kölntors. Sie wurde an der Stelle einer älteren hier
stehenden Kapelle im Jahre 1763 errichtet. Der kleine Achteckbau
zeigt eine zierlich geschweifte Dachlösung mit geschlossener
Laterne. Im Inneren befindet sich ein schlichter Rokokoaltar mit
Madonnenfigur.
Siegburg
erlebte erst unter preußischer Herrschaft wieder einen Aufschwung
als Kreisstadt des Siegkreises. Vom alten Stadtbild haben sich nur
spärliche Reste erhalten. Beachtenswert sind einige Fachwerkhäuser
des 17. und 18. Jh., u.a. das Haus „An der Arken‘ in der
Mühlenstraße.
Das
Heimatmuseum im Nordflügel der Abtei Michaelsberg zeigt neben
geologisch-mineralogischen und paläontologischen Sammlungen die
Entwicklung der Siegburger Töpferei in schönen Beispielen.
CARLHEINZ
PFITZNER, Bonn 1937.
Schrifttum:
Die Kunstdenkmäler des Siegkreises, bearb. von Edm. Renard,
Düsseldorf 1907, S. 191 f. (Hier weitere Literatur.)
Führer durch Siegburg und Umgebung, Siegburg 1926, herausgeg. vom
städt. Verkehrsamt.
16. Siegburg. Olan der Stadt
und der Abtei.
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