S I E G B U R G

Rheinische Kunststätten     Reihe X: Die Sieg • Nr. 4/5

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1. Ansicht der Benediktinerabtei bei Merian um 1640 (rechte Hälfte)

Die Benediktinerabtei auf dem Michaelsberg. Um die Mitte des 11. Jh. trug der das ganze untere Siegtal beherrschende „Sigeberg" die Burg des Pfalzgrafen Heinrich, der von hier aus den Auelgau verwaltete. Eine heftige Fehde mit Erzbischof Anno von Köln endete mit Heinrichs Unterwerfung; die Burg ging in erzbischöflichen Besitz über, und Anno gründete an ihrer Stelle im Jahre 1064 eine Klosterniederlassung, die er erst mit Kölner Stiftsherren, sechs Jahre darauf aber mit Benediktinern aus dem oberitalienischen Kloster Fructuaria besiedelte. Dem Abt wurde als Schirmer gegen, weltliche Angriffe und als Verwalter der weltlichen Gerichtsbarkeit ein Vogt zur Seite gegeben. Erzbischof Anno, der seiner Klosterstiftung besondere Fürsorge zuwandte, wurde nach seinem Tode im Jahre 1075 in der Klosterkirche beigesetzt. Auch seine Nachfolger Hermann (†1100) und Friedrich (†1131) fanden dort ihre Grabstätte. Schon bald mehrten sich Ansehen und Besitz des Klosters; im Laufe des 12. Jh. erfolgten in den großen auswärtigen Landbesitzungen die Gründungen reicher Propsteien (Hirzenach, St. Apollinaris bei Remagen, Millen im Limburgischen, Oberpleis; Zülpich, St. Cyriacus bei Overath, Güls a. d. Mosel und Krucht bei Siegburg). Auch die Frauenklöster Rolandswerth und Fürstenberg bei Xanten waren den Siegburgern unterstellt. Die angestrebte Heiligsprechung Annos wurde im Jahre 1183 erreicht. Das Kloster stand bei der feierlichen Translatio der Gebeine des Heiligen auf der Höhe seiner Macht und seines Reichtums. Von seiner Bedeutung als Kultur- und Kunstzentrum in dieser Zeit zeugen die heute in der Servatiuskirche in Siegburg bewahrten Reste des ehemaligen Klosterschatzes, unter ihnen einzigartig hervorragend der köstliche Annoschrein (s. u.). Schon zu Beginn des 12. Jh. entstanden im Kloster die „Vita Annonis“ und bald darauf die „Maere von Sente Annen“, das berühmte Annolied, ein wertvolles Denkmal mittelalterlicher deutscher Dichtung.

2. Siegburg. Abteikirche, annonische Krypta mit Darstellung der neuesten Forschungsergebnisse.
Gezeichnet von Schorn

Die Grafen und späteren Herzöge von Berg, denen mit wenigen Ausnahmen das Amt des Vogtes oblag, sahen den Machtbestrebungen des Michaelsklosters nur ungern zu; das ursprünglich gute Verhältnis wandelte sich bald in sein Gegenteil, und so ist denn die Geschichte des Klosters und auch des sich gleichzeitig am Fuße des Berges entwickelnden Ortes, der mit allerlei Handelsprivilegien ausgestattet war, im Laufe der folgenden Jahrhunderte durch dauernde Fehden gekennzeichnet. Auf diese ist es auch mit zurückzuführen, daß sich von dem Gründungsbau nur der westliche Teil der Krypta und die drei unteren Geschosse des Westturms erhalten haben, in dessen Fundament im Jahre 1934 das Grab des zweiten Abtes, Reginhard (†1105), entdeckt wurde. Wir haben uns die ursprüngliche Kirche als dreischiffige Pfeilerbasilika mit Westturm, Querschiff, Chor und seitlichen, gleichgerichteten Apsidiolen vorzustellen. Eine in den Jahren 1935/36 erfolgte Instandsetzung der Krypta hat in deren ältestem Teil vier kurz aufeinanderfolgende Bauabschnitte deutlich erkennen lassen, die zweifellos bedingt waren durch die damals wohl schon auftretenden Erdbewegungen nach Osten; diese machten auch schon kurz nach 1100 einen Umbau der annonischen Choranlage notwendig (Bild 2). Der alte Kryptenteil erstreckt sich in voller Breite unter dem Querschiff. Die 21 Gewölbefelder werden von je 6 Säulen mit steilen attischen Basen und schlichten Würfelkapitellen getragen. Die Wände waren ursprünglich durchgehend mit Nischen gegliedert. Der ursprüngliche, Raumeindruck wird vollkommen verwischt durch die unter Abt Pilgrim (1388 - 1417) erfolgte Erweiterung nach Osten, über der sich der ebenfalls damals errichtete spätgotische Chor erhebt.

3. Siegburg. Abteikirche von Norden

Auf Abt Pilgrim geht auch die kräftige östliche Böschungsmauer zurück, wodurch dem weiteren Abgleiten des Berges Einhalt geboten werden sollte. Der Neubau der Chorpartie war damals wahrscheinlich notwendig geworden, nachdem das Kloster in der Fehde des Herzogs Wilhelm von Berg mit seinem Sohn Adolf zu Beginn des 15. Jh. in Mitleidenschaft gezogen war. Bis zur Mitte des 16. Jh. erhielten nun auch die anderen Seiten des Klosterbezirkes ihre Stützmauern, die wehrhaft ausgebildet wurden. An der Südseite ist von den Aufbauten noch das malerische Johannestürmchen erhalten. Den festungsähnlichen Charakter der Anlage hält der Meriansche Stich (1640) fest (Bild 1). Im 16. .Jh. mehrten sich die Bestrebungen der Herzöge von Berg, sich die abteilichen Besitzungen anzueignen. Das 17. Jh. brachte die meisten Schicksalsschläge. In den Jahren 1632/35 hielten die Schweden Stadt und Kloster besetzt. Zwei Jahre nach dem großen Siegburger Stadtbrand fielen Langhaus und Querschiff der Kirche einem Brande zum Opfer (1649). Diese Partien wurden bis 1667 in schlichtesten Barockformen wieder aufgebaut; die erhaltenen drei romanischen Stockwerke des Westturms wurden damals ummantelt und überhöht (Bild 3). Beherrschend für den Gesamteindruck des Ankommenden ist die hohe, von einem riesigen gotisierenden Fenster durchbrochene, mit Pilastern gegliederte nördliche Querschiffwand. Das Innere der Kirche ist einfach und streng: Barockformen in schlichtester Prägung (Bild 4).

Im Jahre 1676 erreichte der Herzog von Berg sein Ziel; die Abtei verlor ihre Reichsunmittelbarkeit sowie ihre Besitzungen und mußte den Vogt als Oberherrn anerkennen. Durch die dauernden Wirren hatte das Kloster bereits sehr an Macht eingebüßt; weitere Schläge brachten es zur gänzlichen Bedeutungslosigkeit herab. Das rheinische Schicksalsjahr 1688/89 brachten dem Michaelsberg wieder große Schäden; in den Jahren 1762 und 1772 vernichteten Brände die gesamten Klostergebäude und die Dächer der Kirche. Der Wiederaufbau des Klosters vollzog sich in einfachsten Formen des Spätbarocks. Im wesentlichen formte Sich damals erst das heute noch erhaltene Bild.

4. Siegburg. Abteikirche, Inneres.

Der innere Ausbau war noch nicht beendet, als das Kloster im Jahre 1803 aufgehoben wurde. Nach anfänglicher Verwendung der Gebäude für verschiedene kommunale und militärische Zwecke, wurde hier eine Provinzial-Irrenanstalt eingerichtet, die von 1825 - 1879 bestand. Das Kloster ging dann wieder in Staatsbesitz über und wurde Zuchthaus. Nach mannigfachen Bestrebungen, das ehemals so bedeutende Kloster wieder seinem ursprünglichen Zweck zuzuführen, zogen im Jahre 1914 Benediktinermönche hier ein, die sich seitdem der allmählichen Instandsetzung des alten Bestandes tatkräftig widmen.

Das Innere der Kirche wurde 1933/35 wiederhergestellt. In ihr bemerkenswert der aus der Bonner Remigiuskirche stammende barocke Hochaltar (mit neuem Michaelsbild). Der rechte Seitenaltar gute Arbeit des 18. Jh. Die Fenster in der Krypta 1936 von Zepter, Köln. Die alte reiche Ausstattung der Kirche wurde 1803 zerstreut. Ein großer Teil des Kirchenschatzes, dessen bedeutender Umfang aus alten Inventaren bekannt ist, wurde eingeschmolzen, einzig die mittelalterlichen Reliquienschreine entgingen wegen ihres verhältnismäßig geringen Metallwertes diesem Schicksal; sie wurden an die Servatiuskirehe in der Stadt geschenkt (s. u.).

Die Servatiuskirche. Von einer Pfarrkirche in Siegburg ist bereits in der „Vita Annonis“ die Rede.

Von diesem Bau, der wahrscheinlich im 11. Jh, errichtet wurde, haben sich Spuren nicht erhalten, Hingegen ist im Jahre 1169 von einer im Bau befindlichen Kirche die Rede. Den Bauformen dieser Zeit, d. h. der zweiten Hälfte des 12. Jh., entsprechen wesentliche Teile der heutigen, dem hl. Servatius geweihten Pfarrkirche, die eine dreischiffige, nur in den Seitenschiffen gewölbte Pfeilerbasilika mit drei Apsiden und vorgelegtem Westturm war (Bild 5—6). Gegen Ende des 13. Jh. trug man sich mit dem Gedanken einer Erweiterung, vielleicht gar einer Ersetzung der romanischen Kirche durch einen gotischen Neubau. Um 1300 war der heute bestehende Chor vollendet; das romanische Langhaus wurde vorläufig unverändert beibehalten. Erst um 1500 erfolgte auch hier ein Umbau, wobei zunächst das Mittelschiff auf die Höhe des Chors gebracht und eingewölbt wurde. Man erneuerte damals auch die nördliche Empore, während auf der Südseite auch das Seitenschiff neugebaut wurde. Beide Abseiten erhielten damals ihre kleinen Vorhallen; das Obergeschoß der südlichen ist die heutige Schatzkammer.

5. Siegburg. Pfarrkirche St. Servatius, Ansieht bei Merian um 1640.

Der verheerende Siegburger Stadtbrand von 1647 (s. o.) hat auch die Kirche nicht verschont; der Turm und die Dächer sowie die Gewölbe wurden damals stark in Mitleidenschaft gezogen. Bei einer bald darauf einsetzenden Instandsetzung erhielt der Westturm eine „welsche Haube“, die bei der purifizierenden Restauration in den 60er Jahren des 19. Jh. durch den „richtigeren“  spätromanischen Turmhelrn, den wir heute sehen, ersetzt wurde. Im Jahre 1888 erfolgte die wenig glückliche Erneuerung der den Westturm begleitenden Abschnitte der Seitenschiffe. Umfassende Sicherungsarbeiten fanden in den Jahren 1897 - 1900 statt; eine innere Wiederherstellung erfolgte im Jahre 1932.

6. Pfarrkirche St. Servatius, Grundriß aus dem Jahre 1900.

7. Pfarrkirche St. Servatius von Westen.

8. St. Servatius, Querschnitt.

Der Eindruck des Äußeren wird beherrscht durch den mächtigen sechsgeschossigen Westturm, der mit seiner reichen Blendgliederung zu den schönsten Beispielen dieser am Rhein so beliebten Gattung gehört (Bild 7). Überwiegend wurde hier, wie überhaupt an der Kirche, der außerordentlich schöne goldgelbe Wolsdorfcr Sandstein als Baumaterial verwendet. Der Westfront ist ein mehrfach abgestuftes schlichtes Rundbogenportal vorgelegt. Das zweite Geschoß zeigt fünf Blendarkaden über Säulen. Die nun folgenden vier Geschosse sind durch Gesimse voneinander getrennt und in der Art ihrer Gliederung außerordentlich rein differenziert. Die Formen der beiden oberen Geschosse weisen schon weit in das 13. Jh. Der ursprüngliche Raumeindruck des romanischen Langhauses ist durch den späteren Umbau stark verändert. Das Mittelschiff öffnet sich in fünf Arkaden über oblongen Pfeilern zu den Seitenschiffen, von denen das nördliche noch die alten Kreuzgratgewölbe bewahrt hat (vgl. o.). Das spätgotisch erneuerte südliche Seitenschiff ist breiter angelegt und zeigt Kreuzrippen. Beide Emporengeschosse haben schlichte spätgotische Überwölbung und seit der Instandsetzung des 10. Jh. flache Dächer mit Galerien. Die romanischen Emporenöffnungen waren urasprcmglicti dreifach unterteilt (diese Anlage nur in den westlichen Arkaden erhalten, aber hier auch nur in spätgotischer Erneuerung). Der unverhältnismäßig hohe Obergaden zeigt schlichte zweigeteilte Maßwerkfenster. Das Mittelschiff ist mit einem Sterngewölbe geschlossen. Von besondere! Erlesenheit, namentlich im Äußeren, ist die um 1300 vollendete frühgotische ChorparLie (Bild 8—9). Der Hauptchor zeigt zwei rechteckige Joche und 5 /8-Schluß; seitlich schließen sich, stark zurückspringend, kleine, ebenfalls aus fünf Seiten des Achtecks gebildete Nebenchöre an. Im Gesamtaufriß, wie vor allem auch in der Behandlung des Details klingt hier die Formenwelt der Kölner Dombauhütte ganz offensichtlich an, aus der der Baumeister dieses köstlichen Denkmals frühgotischer rheinischer Architektur zweifellos hervorgegangen ist. Von der Ausstattung sind zu nennen der im Jahre 1809 neu errichtete Hochaltar mit der mächtigen Trachytmensa vom Hochaltar der damals bis auf den Chor abgebrochenen Heisterbacher Klosterkirche. Von den Apostelfiguren des Mittelschiffes sind die östlichen sechs Arbeiten aus dem Anfang des 16. Jh. mit den übrigen neuen Figuren neu gefaßt. In der südlichen Ernpore steht am Eingang zur Schatzkamrner auf einer sehr feinen spätgotischen Ziersäule aus dem beginnenden 16, Jh. eine typisch rheinische, gotische Muttergottesfigur aus dem Anfang des 15. Jh. (Bild 10). Am nördlichen Chorpfeiler eine lebensgroße Marienfigur aus der Mitte des 18. Jh. Aus diesem Jahrhundert auch der nördliche Seitenaltar, der wahrscheinlich aus der Abteikirche stammt, mit einer guten Servatiusfigur. Ferner hat sich der spätromanische Taufstein erhalten. Das neue Chorfenster ist von Schölgen, die Plastiken des neuen Orgelprospektes sind von Bildhauer Simon, Köln.

Kirchenschatz. Von ganz überragender Bedeutung ist der Kirchenschatz, der sich im wesentlichen aus den von der Abteikirche im frühen 19. Jh. übernommenen mittelalterlichen Reliquienschreinen zusammensetzt. Der ursprünglich viel umfangreichere Schatz des Michaelsklosters war bereits 1632 vor den Schweden nach Köln überführt worden; auch im 18. Jh. finden wir ihn einmal dort, sowie während der Französischen Revolution kurze Zeit im Westfälischen. Der Erhaltungszustand muß schon danlals nicht mehr in allen Teilen befriedigend gewesen sein; die erhaltenen Werke zeigten bis zu der in den Jahren 1900 - 1902 äußerst sorgfältig durchgeführten Wiederherstellung und Sicherung Spuren einer ziemlich derben Restauration. Das Prunkstück des Schatzes ist der 9, Annoschrein, . zugleich der älteste der vier hier erhaltenen romanischen Schreine (Bild 11—12). Er befindet sich heute hinter dem Hochaltar. Als Material ist durchweg vergoldetes Kupferblech verwendet worden, das in seinen einzelnen Teilen auf einen schweren Eichenholzkern aufmontiert wurde. Seine Entstehung hängt mit der Heiligsprechung Annos zusammen (1183); die Ausführung wird sich bis in das 13. Jh. hineingezogen haben. An den Langseiten trennen gekuppelte, reich emaillierte Säulchen je sechs Kleeblattbögen, in denen sich früher die Sitzfiguren der in der Kölner Kirche besonders verehrten Heiligen befanden. In den Zwickeln die Halbfigürchen der Apostel und der Evangelistensymbole. Die großen Kleeblattbögen der Schmalseiten und je drei Nischen für Halbfiguren darüber sind leer, wie auch die Dachflächen, auf denen sieh außer drei prächtigen Kämmen mit den nackten antikischen Figürchen in saftigem Laubwerk und den herrlichen Knäufen nur noch die verzierten Leisten zur Umrahmung der je fünf verschwundenen Reliefs befinden.

9. Pfarrkirche St. Servatius, Choransicht

10. Pfarrkirche St. Servatius, Holzstatue einer Muttergottes. 13. Jh.

11. Pfarrkirche St. Servatius, Annoschrein; Vorderseite, 12. Jh.

12. Pfarrkirche St. Servatius, Annoschrein; Vorderseite, 12. Jh.

13. Pfarrkirche St. Servatius, Tragaltäre hl. Mauritius und des hl. Gregorius, 12.Jh.

Alle Sockelbänder und Gesimse sind entweder gestanzt mit fortlaufenden ornamentalen Mustern Oder abwechselnd mit Email- und Filigranplättchen belegt. Die Ausführung ist unvergleichlich in ihrer erlesenen Schönheit und Exaktheit. An den Apostelfigürchen lassen sich deutlich zwei Meisterhände unterscheiden. Dem einen, offensichtlich aus einer stilistisch älteren Formenwelt schöpfenden Meister möchte man die Figürchen der einen Langseite mit den dicken Köpfen und flachen Augen geben, während die Figuren der anderen Seile einem Meister zugeschrieben werden müssen, der im Sinne, einer mehr individualisierenden Verlebendigung stilistisch fortgeschrittener wirkt. Besonders bei ihm wie auch in dem köstlichen Laubwerk der Kämme zeigt sich eingehendes Naturstudium, zugleich mit einer unzweifelhaften Beeinflussung durch die Antike. Ein kleiner Merkur mit seinem Flügelhut weist uns hierfür die richtige Spur. Die folgenden Werke befinden sich in der Schatzkammer: Der Schrein der hhl. Innozentius und Mauritius dürfte im Anschluß an den Annoschrein entstanden sein (Anfang 13. Jh.); er zeigt bei wesentlich einfacherer Gestaltung die gleichen Elemente. Auch hier ist der gesamte figürliche Schmuck der Seiten und der Dachflächen verloren; von den Kopfseiten zeigte die eine Christus zwischen Mauritius und Innozentius, die andere die Muttergottes zwischen Anno und St. Michael, während an den Langseiten die 12 Apostel wiedergegeben waren. Besonders reizvoll die Ausbildung des Kammes mit den in die palmettenartige Ornamentik eingelassenen abgeflachten Kristallkugeln, ganz ähnlich der Kamm des Servatiusschreines in Maastricht. Aus dem Anfang des 13. Jh. stammen ferner die beiden kleinen Reliquienschreine, der Benignusschrein und der Honoratusschrein (Bild 15). Bei beiden ist ein gewisses Nachlassen der technischen Vollendung, wie ihn der Annoschrein zeigte, festzustellen. Der Schrein mit seiner reichen Giebelausbildung auch über den Langseiten hat als einziger Schrein einen Teil seines figürlichen Schmucks bewahrt; die Dachflächen zeigen vier in Kupferblech geschlagene, ziemlich derbe Reliefs (Verkündigung, Geburt, Kreuzigung, Auferstehung). und an einer Langseite sind 5 Apostelfiguren erhalten.

14 Pfarrkirche St. Servatius. Deckel des Andreaskastens, 12. Jh.

Zeitlich folgt in großem Abstande der im Jahre 1446 vollendete Apollinarisschrein. Die Reliquien dieses Heiligen waren im Jahre 1394 durch Abt Pilgrim von St. Apollinaris bei Remagen nach hier verbracht worden. Die Felder dieses Schreins, der seines vollständigen figürlichen Schmucks und auch sonst stark beraubt ist, zeigen ein schlichtes gestanztes Rautenornament.

Zu den fünf Schreinen gesellen sich eine Anzahl bedeutender kleiner Reliquiare und Tragaltäre. Der Mauritiustragaltar ist in Köln kurz nach der Mitte des 12. Jh. entstanden (Bild 13). Die weiß und rot umränderten Emailplättchen der Seitenwände des rechteckigen Kastens zeigen auf abwechselnd hell- und dunkelblauem Grunde die gedrungenen Gestalten der 16 Propheten, deren Konturen dunkel emailliert sind; Spruchbänder zeigen ihre Namen. Von besonderer Schönheit ist die Deckplatte. Um einen rechteckigen eingefaßten Porphyrstein ziehen sich an den Langseiten Darstellungen der 12 Apostel, an den Schmalseiten je drei figürliche Szenen.

Verwandt ist der Tragaltar des hl. Gregorius, der einen ganz besonderen Reichtum an Emailornamentik und Figurenschmuck zeigt (Bild 13). Man denkt an die Verzierungen des aus Hochelten stammenden Kuppelreliquiars in London und an diejenigen des Welfenschatzes. Wie beim Mauritiustragaltar ruht der mit Emailplatten verkleidete kastenförmige Holzkern auf Drachenfüßen. Die Seitenflächen zeigen, wie dort, lebendig gezeichnete Prophetenfiguren auf grünem Grunde. Auf der überreich gezierten Deckplatte 36 Figürchen von Aposteln und Heiligen, darunter bereits auch der im Jahre 1147 kanonisierte Heribert von Deutz.

Dem Ende des 12. Jh. gehört der Andreaskasten an, der ebenfalls ganz emailliert und mit eingravierten figürlichen Darstellungen versehen ist (Bild 14). Eine Langseite zeigt mit einer Schmalseite Christus, ein langes Kreuz haltend, mit den 12 Aposteln; die andere Langseile eine Abendmahlsdarstellung, die übrige Schmalseite die Muttergottes. Der Deckel ist mit einer Reihe figürlicher Szenen von außerordentlicher Schönheit überzogen, die durch geschweifte Spruchbänder getrennt sind. Die etwas derbe Ausführung und andere stilistische Merkmale lassen den Schrein einer westfälisch-niedersächsischen Gruppe dieser Arbeiten zuweisen.

15 Pfarrkirche St. Servatius. Honoratiusschrein. 13. Jh.

Zeitlich folgt in großem Abstande der im Jahre 1446 vollendete Apollinarisschrein. Die Reliquien dieses Heiligen waren im Jahre 1394 durch Abt Pilgrim von St. Apollinaris bei Remagen nach hier verbracht worden. Die Felder dieses Schreins, der seines vollständigen figürlichen Schmucks und auch sonst stark beraubt ist, zeigen ein schlichtes gestanztes Rautenornament.

Zu den fünf Schreinen gesellen sich eine Anzahl bedeutender kleiner Reliquiare und Tragaltäre. Der Mauritiustragaltar ist in Köln kurz nach der Mitte des 12. Jh. entstanden (Bild 13). Die weiß und rot umränderten Emailplättchen der Seitenwände des rechteckigen Kastens zeigen auf abwechselnd hell- und dunkelblauem Grunde die gedrungenen Gestalten der 16 Propheten, deren Konturen dunkel emailliert. sind; Spruchbänder zeigen ihre Namen. Von besonderer Schönheit ist die Deckplatte. Um einen rechteckigen eingefaßten Porphyrstein ziehen sich an den Langseiten Darstellungen der 12 Apostel, an den Schmalseilen je drei figürliche Szenen.

Verwandt ist der Tragaltar des hl. Gregorius, der einen ganz besonderen Reichtum an Emailornamentik und Figurenschmuck zeigt (Bild 13). Man denkt an die Verzierungen des aus Hochelten stammenden Kuppelreliquiars in London und an diejenigen des Welfenschatzes. Wie beim Mauritiustragaltar ruht der mit Emailplatten verkleidete kastenförmige Holzkern auf Drachenfüßen. Die Seitenflächen zeigen, wie dort, lebendig gezeichnete Prophetenfiguren auf grünem Grunde. Auf der überreich gezierten Deckplatte 36 Figürchen von Aposteln und Heiligen, darunter bereits auch der im Jahre 1147 kanonisierte Heribert von Deutz.

Dem Ende des 12. Jh. gehört der Andreaskasten an, der ebenfalls ganz emailliert und mit eingravierten figürlichen Darstellungen versehen ist (Bild 14). Eine Langseite zeigt mit einer Schmalseite Christus, ein langes Kreuz haltend, mit den 12 Aposteln; die andere Langseile eine Abendmahlsdarstellung, die übrige Schmalseite die Muttergottes. Der Deckel ist mit einer Reihe figürlicher Szenen von außerordentlicher Schönheit überzogen, die durch geschweifte Spruchbänder getrennt sind. Die etwas derbe Ausführung und andere stilistische Merkmale lassen den Schrein einer westfälisch-niedersächsischen Gruppe dieser Arbeiten zuweisen.

Aus dem Anfang des 13. Jh. stammen zwei Kästen aus Limogesemail, charakteristische Beispiele dieser Gattung.

Ein eigenartiges Gebilde ist der im 17./18. Jh. aus romanischen Emailschmuckfragmenten zusammengesetzte, Reliquienkasten. Weitere Reste, die ebenso auf einen ursprünglich noch viel größeren Umfang des Schatzes hinweisen, befinden sich seit 1901 auf einer Tafel unter Glas und
Rahmen.

Im Jahre 1901 entnahm man dem Annoschrein den berühmten, heute sich im Berliner Schloßmuseum befindenden byzantinischen Seidenstoff mit je drei Löwen in zwei Reihen übereinander auf purpurviolettem Grunde. Durch eine regelmäßig wiederkehrende Inschrift „unter der Regierung des Romanus und Christophoros, der allerchristlichen Herren“ ist das Seidenstück als Produkt der byzantinischen Staatsmanufaktur aus der Zeit zwischen 921 - 931 anzusehen. In Siegburg wird jetzt noch eine Anzahl weiterer wertvoller mittelalterlicher Stoftreste bewahrt.

Aus dem Annoschrein stammt wohl auch die Krümme des Bischofsstabes des Heiligen, achtseitig und glatt in Elfenbein gebildet und als Schlangenkopf endigend. Wahrscheinlich wurde den Gebeinen bei der feierlichen Erhebung im Jahre 1183 der Konsekralionskamm aus Elfenbein beigegeben, dessen Mittelteil auf beiden Seiten Drachen im Relief zeigt. Aus dem 16. Jh. stammen zwei als spätgotische Monstranzen gebildete silberne Reliquiare. Ferner haben sich mehrere Reliquiare aus dem 17. Jh. erhalten.

Zur Geschichte der Stadt. Der sich bereits zur Zeit der annonischen Klostergründung am Fuße des Berges entwickelnde Ort erhielt neben anderen Privilegien im Jahre 1125 Zollbefreiung vom Erzbischof Friedrich von Köln (Bild 16). Im Jahre 1243 errichteten sich die Grafen von Berg hier als Vögte der Abtei eine Burg, von der nichts mehr erhalten ist; sie wurde nach einer Bestimmung des im Jahre 1676 zustande gekommenen Vertrages mit der Abtei (s. o.) in den darauffolgenden Jahren abgerissen. Sie stand an der Stelle der heutigen „Schützenburg“. Die in der zweiten Hälfte des 14. Jh. einmal erwähnte Stadtmauer ist wahrscheinlich im Jahre 1403 (s. o.) weitgehend vernichtet. worden. Die Reste der Stadtmauer weisen jedenfalls auf eine nahezu vollständige Erneuerung im Laufe des 15. ‚Jh. hin. Sie war mit ihren vier Toren um das Jahr 1830 noch wohl erhalten; erst im Laufe des weiteren 19. Jh. verschwanden große Strecken, vor allem aber auch die Tore. Reste haben sich am Michaelsberg erhalten (die Stadtmauer begann hier im Südwesten der Abtei) sowie an der Mahlgasse, am Tierbungert, an der Ringgasse und an der Scherengasse. Vor den Mauern lagen die beiden Vororte „Aulgasse“ und „Driesch‘“, ersterer mit eigener Umwehrung und bedeutend als . Sitz der im späten Mittelalter hier blühenden, weitberühmten Töpfereien. Erst die Wirren des Truchsessischen Krieges (1583/84) und des Jülich-Kleveschen Erbfolgestreites (1609 - 24) sowie die Besatzungszeit während des Dreißigjährigen Krieges brachten dieses Gewerbe hier vollkommen zum Erlahmen; die Töpfer wanderten für immer nach Altenrath und Höhr usw. aus. Die mittelalterliche Stadt wurde bei dem großen Brande im Jahre 1647 nahezu vollständig vernichtet; sie sank zur absoluten Bedeutungslosigkeit herab. Aus dem folgenden Jahrhundert haben sich zwei kleine Baudenkmale erhalten, die Kapelle auf dem alten Friedhofe aus dem Jahre 1722 auf der Stelle der ehemaligen Propstei zur Krucht, ein bescheidener kleiner Saalbau mit halbrunder Apsis, und die Stadt- oder Muttergotteskapelle in der Nähe des ehem. Kölntors. Sie wurde an der Stelle einer älteren hier stehenden Kapelle im Jahre 1763 errichtet. Der kleine Achteckbau zeigt eine zierlich geschweifte Dachlösung mit geschlossener Laterne. Im Inneren befindet sich ein schlichter Rokokoaltar mit Madonnenfigur.

Siegburg erlebte erst unter preußischer Herrschaft wieder einen Aufschwung als Kreisstadt des Siegkreises. Vom alten Stadtbild haben sich nur spärliche Reste erhalten. Beachtenswert sind einige Fachwerkhäuser des 17. und 18. Jh., u.a. das Haus „An der Arken‘ in der Mühlenstraße.

Das Heimatmuseum im Nordflügel der Abtei Michaelsberg zeigt neben geologisch-mineralogischen und paläontologischen Sammlungen die Entwicklung der Siegburger Töpferei in schönen Beispielen.

CARLHEINZ PFITZNER, Bonn 1937.
Schrifttum:
Die Kunstdenkmäler des Siegkreises, bearb. von Edm. Renard, Düsseldorf 1907, S. 191 f. (Hier weitere Literatur.)
Führer durch Siegburg und Umgebung, Siegburg 1926, herausgeg. vom städt. Verkehrsamt.

16. Siegburg. Olan der Stadt und der Abtei.

 

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