Baugeschichte. Die mitten im früheren Herzogtume Berg im
waldreichen, lieblichen Dhünntale gelegene ehemalige
Zisterzienserabtei Altenberg führt ihren Ursprung auf eine
nahegelegene, nicht mehr erhaltene Stammburg der Grafen von Berg
zurück, die im Jahre 1133 von den Brüdern Eberhard und Adolf von
Berg dem Zisterzienserorden geschenkt und noch im gleichen Jahre von
12 Mönchen unter der Führung des Abtes Berno von besiedelt wurde;
die gräflichen Stifter traten auch in das Kloster ein. Schon nach
wenigen Jahren wurde die für ein Kloster wenig geeignete Burg
verlassen, und man entschloß sich zur Verlegung der
Klostergemeinschaft in das Tal der Dhünn. Hier wurde bereits im
Jahre 1145 eine Kirche geweiht, deren Grundmauern sich unter dem
heutigen Bau erhalten haben und die Anlage einer dreischiffigen
Pfeilerbasilika erkennen lassen. Im Laufe des 12. Jahrhunderts.
wurden auch die Klostergebäude errichtet, in denen sich schon bald
ein blühendes geistiges Leben entwickelt haben muß. Der Name
‚‚Altenberg‘‘ kam um die Mitte des 12. Jahrhunderts auf, nachdem die
Grafen von Berg sich an der Wupper ein neues Schloß Neuenberg,
errichtet hatten. Die Bedeutung des Klosters nahm so zu, daß wenige
Jahrzehnte nach der Gründung von hier aus neue Niederlassungen des
Ordens jenseits der Elbe errichtet wurden, die wie die Gründungen
des rheinischen Schwesterklosters Camp ihren nicht zu
unterschätzenden Teil zur Kultivierung und Kolonisierung des
slavischen Ostens beigetragen haben (Wongrowitz in Posen, Mariental
im Braunschweigischen, beide im Jahre 1143, Lad in Polen 1146, Zinna
in der Mark Brandenburg 1171, Haina im Hessischen 1181). Um das Jahr
1200 hatte Kloster Altenberg mehr als 230 Insassen, und so ist
anzunehmen, daß zum mindesten das Gotteshaus den Ansprüchen nicht
mehr genügte. Wahrscheinlich wurden die auf einen Neubau
hinzielenden Absichten auch gefördert durch die Folgen eines im
Jahre 1222 auftretenden Erdbebens. Der Grundstein zur heute noch
bestehenden Kirche wurde jedoch erst im Jahre 1255 gelegt (Bild 1 u.
3).
Von den
älteren Gebäuden hat sich lediglich die Markuskapelle erhalten,
die im frühen 13. Jahrhundert, wahrscheinlich nach dem Erdbeben
unter Berücksichtigung eines älteren Kernes erbaut wurde (Bild 2);
sie ist eine sehr reizvolle Schöpfung der rheinischen Architektur
der Stauferzeit, in der sich spätromanische und frühgotische
Formelemente durchdringen. Im Innern ist die alte farbige Fassung
weitgehend erhalten; eine Darstellung der Marienkrönung auf der
Westwand zeigt den Stil gleichzeitiger Kölner Arbeiten (Taufkapelle
St. Gereon).
Der Neubau
der Kirche wurde zunächst rasch gefördert; bereits vor 1276 fand
die Weihe von 10 Altären im Chore statt, und vor der
Jahrhundertwende ist auch das Querschiff errichtet. Der Ausbau des
Langhauses schreitet langsamer fort; erst um 1380 fügt Meister
Raynoldus, den seine überlieferte Grabschrift ‚„‚super omnes rex
lapicidas‘‘ nennt, das große Westfenster ein (Bild 3, 4), eine der
vielen Stiftungen des Bischofs Wikbold von Kulm, eines geborenen
Kölners, der seinen Lebensabend in Altenberg verbrachte und sein
Vermögen für die Vollendung des Domes hingab (7 1398). — Die
nächsten Jahrhunderte brachten keine weitere Bautätigkeit mit sich;
lediglich Arbeiten an der Innen- ausstattung sind überliefert.
Bereits im Truchsessischen Kriege hatte das Kloster viel zu leiden
(1583), mehr aber noch im Jahre 1632 durch den General Baudissin,
der das Kloster plündern ließ. Im endenden 18. Jahrhundert setzte
eine neue Notzeit ein, die im Jahre 1803 mit der endgültigen
Aufhebung des Klosters ihren Abschluß fand. Kirche und Kloster
gingen einige Jahre später in den Besitz eines Kölner Kaufmannes
über, der sich verpflichtete, die Kirche stehenzulassen; ein Eigen-
tum an ihrem Material erlange er nur dann, ‚‚wenn die Kirche zur
Ruine und nicht mehr hergestellt werde‘. Im Dormitorium des Klosters
war eine chemische Fabrik eingerichtet worden, die im Jahre 1816 in
Flammen aufging, wobei das Kloster wie auch das Dach der Kirche
zerstört wurden. Notdürftige Flickarbeiten konnten den schnell
fortschreitenden Zerfall nicht aufhalten; Gewölbeeinstürze schienen
den Untergang der Kirche zu besiegeln, bis im Jahre 1834
Kronprinz
Friedrich Wilhelm sich der Kirche annahm und erstmalig Mittel für
ihre Instandsetzung zur Verfügung stellte unter der Bedingung, daß
die Kirche dem Simultangebrauch dienen solle. Im Jahre 1847 erfolgte
eine feierliche Wiedereinweihung, und fast 10 Jahre später konnte
die Kirche beiden Konfessionen zum Gottesdienste übergeben werden.
Wenn auch die Erhaltung der Kirche dem tatkräftigen und begeisterten
Eingreifen der von hoher Liebe zum Mittelalter erfüllten Zeit der
deutschen Romantik zu verdanken ist, so waren die
Instandsetzungsarbeiten doch sehr provisorischer Natur gewesen;
bereits einige Jahrzehnte später machten sich ernste statische
Schäden bemerkbar, die eine grund- legende Sicherung der Gewölbe und
Erneuerung der Strebesysteme veranlaßten. Der im Jahre 1894
gegründete Altenberger Dombauverein setzte sich vor allem für die
Wiederherstellung des Inneren, für die Instandsetzung der Reste der
alten Einrichtung und der Fenster ein: in vorbildlicher Weise führt
er diese Tätigkeit noch heute weiter.
Außenbau.
Um die eigene Schönheit des ‚‚Domes‘‘ recht würdigen zu können, darf
nicht außer acht gelassen werden, daß seine Entstehungszeit nur
sieben Jahre nach der Gründung des Kölner Domes einsetzt. Zwar
klingt in der Anlage des fünfschiffigen Chores, des Umgangs mit
Kapellenkranz und des dreischiffigen Querhauses die
Grundrißgestaltung der Kölner Kathedrale an; im Aufriß jedoch ist
ihr gegenüber bis auf geringfügige Einzelheiten eine überraschende
Selbständigkeit gewahrt worden. Streng wird die durch die
Ordensregeln des Bernhard von Clairvaux beeindruckte
zisterziensische Schlichtheit der Bauformen beibehalten; wie bei den
nordfranzösischen Mutterkirchen des Ordens ist hier das Wesen des
frühgotischen Baustils auf die knappste Formel reduziert zum
Ausdruck gebracht. Am Äußeren fällt die straffe, schmucklose
Gliederung des Strebewerks auf -krassester Gegensatz zum überladenen
Strebewerk des gleichzeitig entstehenden Kölner Domchors (Bild 1,3).
Getreu den Vorschriften des Ordens ziert statt der Türme nur ein
Dachreiter die Vierung der Kirche.
Im Innern
tragen ungegliederte Rundpfeiler, deren Kapitelle lediglich im Chor
naturalistischen Blatt-
schmuck zeigen, die Obergadenmauern, die durch große Fenster über
einer Triforiengalerie aufgelöst
sind (Bild 5). Von den Kapitellplatten steigen dreiteilige
Dienstbündel hoch, von deren schmucklosen Kapitellen die Rippen und
Gurte der vierteiligen Gewölbe ausgehen. Das Fenstermaßwerk zeigt
einfachste Formen, bis auf das reiche Westfenster, dessen acht Stege
sich zu einem wunderbaren Maßwerk verästeln (Bild 3, 4). Eine
außerordentliche Klarheit und bezwingende Ruhe herrscht in dem Raum,
in dem auch die farbige Fassung bedeutsam mitspricht. Auf Grund
alter Spuren wurden die tragenden Teile bei der Wiederherstellung
hellgrau getönt, die Wände rein weiß. An den Kapitellen zeigt sich
heute sparsamste Verwendung von Rot, Blau und Gold.
Fenster. Einen besonderen Schmuck stellen
die Fenster dar, die zum mindesten in den Chorkapellen noch aus dem
13. Jahrhundert stammen und in feinster Grisailletechnik
Rankenmuster und geometrischen Schmuck zeigen (Bild 6). Besonders
bemerkenswert, auch in der Verwendung von einzelnen farbigen Gläsern
im Grisaille, ist das große Fenster im nördlichen Querschiff (Bild
5). Im Westfenster endlich bricht sich dieanscheinend nur mühsam
gebändigte Schmuckfreudigkeit des endenden 14. Jahrhunderts Bahn;
ein wunderbares Farbenspiel zeigt sich hier vor allem bei
abendlichem Sonnenlicht (Bild 4, 8). Herzog Wilhelm I. von
Jülich-Berg und seine Gemahlin Anna stifteten die Glasmalereien,
wahrscheinlich aus Anlaß der im Jahre 1380 erfolgten Erhebung der
Grafschaft Berg zum Herzogtum. In den acht Rahmen des Fensters
befinden sich grau in grau, aber mit reichlichem Silbergelb und
mehrfarbig mosaicierten Hintergründen belebt in zwei Reihen
Heiligenfiguren. Darüber türmt sich jedesmal ein zierliches, auf das
reichste detailliertes Baldachingebäude auf. Als Schöpfer wird der
schon genannte Raynoldus bezeichnet, der hier stilistisch enge
Zusammenhänge mit der Kölner Malerschule aufweist. In den 60er und
90er Jahren des vorigen Jahrhunderts sind die Glasmalereien wie auch
die übrigen Fenster ergänzt und instandgesetzt worden. Damals begann
auch die planmäßige Pflege des Wenigen, was von der alten
Innenausstattung, von deren Reichtum alte Berichte Zeugnis ablegen,
erhaltenblieb.
Ausstattung. Von den alten Altären stehen
heute nur noch die steinernen Mensen des Hochaltars und der
Chorkapellenaltäre. Das wundervolle frühgotische Chorgestühl geriet
in das Berliner Museum; heute ist im Chor eine gute Kopie
aufgestellt. Vom Marienleuchter ist nur das Marienbild alt, das im
Jahre 1917 wiederaufgefunden wurde (Bild 4). Zerstört und entfernt
sind nach der Säkularisation eine Anzahl Grabmäler (aufgezählt im
Inventar der Kunstdenkmäler der Rheinprovinz, vgl. Literatur), unter
denen die Bronzeplatte über dem Grabe des Vollenders des Domes,
Bischof Wikbold von Kulm, nach der erhaltenen Beschreibung den
bedauernswertesten Verlust darstellt (Inventar S. 40). Das heute
vollkommen schmucklose, aber in seiner Leere nun ausschließlich von
der fein ausgewogenen Architektur eindrucksvoll bestimmte Langhaus
wird zwischen dem 5. und 6. Pfeilerpaar durch ein Abschlußgitter aus
dem Jahre 1644 von der Chorpartie getrennt.
Grabmäler.
Im nördlichen Querschiff und im eigentlichen Hochchor haben sich
außer dem zierlichen, an süddeutsche Vorbilder gemahnenden, aus dem
endenden 15. Jahrhundert stammenden Sakramentshäuschen noch eine
Reihe bemerkenswerter Grabdenkmäler der Grafen und Herzöge des
Bergischen Hauses und anderer um das Kloster verdienter Männer
erhalten (Bild 5, 7, 9). Drei Tumben stehen zwischen den Pfeilern im
geraden Teile des Hochchors, der sonst durch niedrige steinerne
Schranken mit spitzbogigen Blenden vom Umgang getrennt ist. Zunächst
ist da das Hochgrab des Grafen Gerhard I. († 1360) und seiner
Gemahlin Margareta († 1389) aus dem endenden 14. Jahrhundert. Die
beiden Figuren, in ihrer Gewandung und Haltung charakteristisch für
die Zeit stehend behandelt, liegen auf einem an den Seiten reich
geschmückten Unterbau. Etwas älter, aus der Mitte des 14.
Jahrhunderts stammend, sind die Tumben des Erzbischofs Bruno und des
Grafen Adolf VIII. († 1348 Bild 7). Die eigentliche Grabstätte des
Bergischen Hauses ist das nördliche Querschiff, auch Herzogschor
genannt (Bild 5, 9). Eine trapezförmige Schieferplatte erinnert an
das Todesjahr der beiden Stifter des Klosters, der Brüder Eberhard
und Adolf († 1152). Eine weitere Inschrift darauf meldet den Tod des
Propstes Konrad († 1308). Die Grabsteine des Grafen Adolf IV. (†
1176) und des Herzogs Adolf I. († 1437) sind schlichte
Schieferplatten mit heute unleserlicher, aber überlieferter Schrift.
Auf dem Grabstein des Herzogs Wilhelm I. († 1408) sind die Umrisse
einer eingeritzten Ritterfigur noch schwer erkennbar. Schlecht
erhalten sind auch die in Schiefer eingeritzten Gestalten des Grafen
Adolf VI. († 1259) und seiner Gemahlin Margarete. Die Tumba des
Grafen Wilhelm I. († 1308) und seiner Gemahlin Irmgard zeigt auf den
Seiten Spitzbogenblendenverzierung wie die Hochgräber des
Erzbischofs Bruno und des Grafen Adolf VIII. Die Figuren der
Verstorbenen waren ursprünglich in dünnen weißen Marmorplättchen in
die Schieferplatte eingelegt. Gut erhalten ist die Bronzeplatte des
Grabmals des Herzogs Gerhard II. von Jülich und Berg († 1475). Die
aus viermal drei Stücken bestehende Platte trägt das sehr fein
eingravierte Bildnis des Herzogs in voller Rüstung, das rings von
einer dreizeiligen deutschen Inschrift umgeben ist. Mit diesem
spätesten Werk schließt die Reihe der erhaltenen Fürstengräber ab;
einige Abtsgräber aus dem 17. und 18. Jahrhundert sind u. a. im
südlichen Seitenschiff erhalten.
Neuere
Arbeiten. Ein bedeutendes Zeugnis moderner Kunst ist dieim Jahre
1931 vollendete Orgel, ein Werk des Prof. Clemens Holzmeister, das
sich gut in den südlichen, wegen der früher hier anschließenden
Klostergebäude nie ganz ausgebauten Querschiffarm einfügt. Außen an
der Westfassade wurden die schadhaften Figuren einer heute im
Inneren des Doms aufbewahrten Verkündigungsgruppe ersetzt durch ganz
freie Kopien, die der Kölner Bildhauer Simon ausführte. — Pläne zu
einem neuen Kreuzwege im Innern und zu einem Denkmal für die
Gefallenen des Weltkrieges werden in nächster Zeit ihre
Verwirklichung finden.
Haus
Altenberg. In ganz neuzeitlichem Gewande zeigen sich die an der
Stelle des im Laufe des 19. Jahrhunderts verwahrlosten, in seinen
Resten durch einen Brand im Jahre 1921 ganz vernichteten Klosters
errichteten Gebäude. Der Neubau des ‚Hauses Altenberg‘ stand zuletzt
unter Leitung des Dipl.-Ing. H. Schwippert, Aachen, und beherbergt
jetzt eine Führerschule und Exerzitienhaus für katholische
Jugendbildung im Eigentum des Erzbischofs von Köln. Im Inneren
durchaus heutigen Forderungen entsprechend, paßt es sich äußerlich
der schönen ländlichen Umgebung an und ordnet sich den Maßstäben des
Domes unter, auf den sich vor allem von den östlich sich
hinziehenden waldigen Höhen die schönsten Aussichten ergeben.
Literatur: Die
Kunstdenkmäler der Rheinprovinz, Bd. V,2. Kreis Mülheim a. Rh.
Düsseldorf, Schwann, 1901, S. 12 f. — Altenbergs Dom im Wandel der
Zeit. Zur 800-Jahr-Feier herausgegeben im Jahre 1933.
Bergisch-Gladbach. — Jahresberichte des Altenberger Dombauvereins. —
Berichte über die Tätigkeit der Provinzialkommission für die
Denkmalpflege in der Rheinprovinz I—V, VII und IN. CARLHEINZ
PFITZNER
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